Die Heilerin - Roman
wo er sicher war. »Sie war hier. Ich weiß es. Ich habe sie gesehen.«
»Vielleicht haben sie sie geheilt.«
»Dann wäre sie doch auch hier, nicht wahr? Das hier war ihr Posten. Sie hat sich um die Lehrlinge gekümmert.« Er schüttelte den Kopf und deutete auf die Pritschen. »Nein. Vinnot und der Erhabene haben genau da gestanden und sich überhaupt nicht für sie interessiert. Hätten sie sie heilen wollen, dann hätten sie das schon vorher getan.«
»Kione«, sagte ich gereizt. »Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist.«
Er zog einen Schmollmund und stolzierte zurück zu den Pritschen.
Aylin hastete zu mir und gab mir wieder eine Hand voll Pynvium. »Vier sind inzwischen auf den Beinen«, sagte sie. »Was sie erzählen, ist schlimm, aber sie werden es schaffen.«
»Gut. Wie viele sind noch dem Tode nah?«
»Nur einer.«
Ich warf das Pynvium erneut an die Tür. Es entlud sich, noch bevor es sein Ziel erreicht hatte, und hinterließ fahle weiße Flecken auf dem Holz.
»Kione ist ziemlich durcheinander«, flüsterte sie und sah sich zu ihm um. Er saß auf einer der leeren Pritschen. »Er hat nur noch Lanelle im Kopf.«
»Wenn wir hier rauskommen, kann er sie suchen, so lange er will.«
»Das nimmt kein gutes Ende.« Aylin nahm die geleerten Klumpen an sich und sauste davon.
Danello schwieg, bis Aylin fort war. »Du denkst, sie haben sie getötet, richtig?«, fragte er hinter mir, wo er vor den Entladungen sicher war.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht nicht. Sie hat ihnen immerhin geholfen, wozu also sollten sie sie umbringen.« Die weißen Flecken auf dem Holz stoben nicht davon, wie der Staub es getan hatte.
»Aber hat sie auch bereitwillig geholfen?« Er brach ab, und ich kämpfte gegen den Drang an, mich umzudrehen und seinen Gesichtsausdruck zu überprüfen. »Nach dem, was Tali uns erzählt hat, haben einige Leute nur mitgeholfen, weil sie es mussten.«
»Sie hat gewusst, was sie tat.«
»Bist du sicher?«
Das war ich keineswegs, aber ich würde es nicht laut aussprechen.
Danello seufzte. »Du bist so komisch. Ich weiß, wir kennen einander nicht so gut, aber das scheinst so gar nicht du selbst zu sein.«
Es fühlte sich auch nicht an wie ich selbst. Ich war nicht besser als Zertanik, wenn ich ein Leben gegen ein anderes einhandelte.
Aylin tauchte mit der nächsten Hand voll Pynvium auf. Ich entlud es, und schon war sie wieder weg.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Du wirkst heute so anders. Du hast eine Menge durchgemacht und kannst vielleicht gar nicht klar denken. Ich schätze, ich bin einfach ein bisschen besorgt.«
»Du solltest dir lieber Sorgen über diese Wachleute ...« Ich hielt inne und starrte die Tür an. »Wann hat das Hämmern aufgehört?«
»Was? Keine Ahnung.« Er schlich voran und legte ein Ohr an die Tür, ganz in der Nähe der weißen Flecke. Offenbar spielten meine Augen mir einen Streich, aber für einen Moment glaubte ich, die Tür hätte sich gekrümmt, als er sie berührte.
»Hörst du was?«
»Nein. Ob sie bewusstlos sind? Du hast die Tür ziemlich oft beworfen.«
Noch mehr Leute, deretwegen ich Schuldgefühle haben durfte. Aber das hier war Krieg, oder nicht? Wenn sie reinkämen, würden sie uns und die Lehrlinge töten. Ich verteidigte mich nur. Schmerz zu schleudern war in diesem Fall auch nicht anders, als würde Danello sein Rapier benutzen.
Aber es fühlte sich eindeutig anders an. Ich hatte nie zur Waffe werden wollen. Alles, was ich gewollt hatte, war Tali retten. Ich warf das Pynvium erneut.
Wumm.
Kein Klappern, kein Krachen, kein Klirren von Metall auf dem Steinboden. Schockiert starrte ich den zarten Nebel an, der zu mir zurückwehte, lauschte dem sanften Rauschen von grobem Sand, der auf den Boden rieselte.
Bei allen Heiligen! Die Pynviumklumpen hatten sich aufgelöst!
Zwanzigstes Kapitel
H atte mein Zorn das Pynvium vergiftet?
»Was hast du getan?«, flüsterte Tali und umklammerte meinen Arm.
»Nichts. Ich habe genau das Gleiche getan wie vorher.«
»Aber es ist weg, Nya.«
Nicht ganz, aber der Sand würde uns nicht helfen. Nichts konnte uns jetzt noch helfen.
Furchtsames Geplapper breitete sich in rasantem Tempo unter den halb geheilten Lehrlingen aus. »Weg?«
»Es gibt kein Pynvium mehr?«
»Nicht schon wieder!«
Dann folgten leise Schluchzer. Ich hätte mich am liebsten auf dem Boden zusammengerollt und mit ihnen geweint.
»So etwas habe ich noch nie vorher erlebt«, sagte Tali.
»Ich weiß nicht, was passiert ist.« Ich
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