Die Heilerin - Roman
Was habt ihr hier zu suchen!«, brüllte der Älteste Vinnot. Er und mehrere weitere Wachleute standen am Kopf der Treppe.
Ich sah drei, ehe Danello mich vorwärts- und durch die Tür in das Turmzimmer drängte. Die anderen waren schon hineingerannt. Kaum drinnen, wirbelte ich auf dem Absatz herum und ergriff die Tür, als Danello über die Schwelle stürzte, die Wachen direkt auf den Fersen.
»Mach zu!«
Tali und ich warfen uns gegen die Tür. Sie knallte zu, flog aber sofort wieder auf, als die Wachen gegen das Türblatt krachten, und ich landete auf dem Hinterteil. Tali stemmte sich erneut gegen die Tür, war aber nicht schwer genug, um sie zuzudrücken. Aylin sprang über mich hinweg und warf ihr Gewicht mit in den Kampf.
Danello sah sich hektisch um und tastete an seiner Hüfte herum. »Wo ist mein Rapier?«
Einer der Wachmänner versuchte, sich hereinzudrängen und die Tür weiter aufzustemmen. Der Korridor hinter ihm war voller grüner Uniformen.
»Wir können sie nicht halten!«, rief Aylin mit hochrotem Kopf.
Danello trat dem Wachmann ans Bein. Der schrie auf und zog sich zurück. Aylin und Tali stemmten sich erneut gegen die Tür, worauf sie donnernd ins Schloss fiel. Danello rammte seine Schulter gegen die Tür, als ich mich aufrappelte und den Riegel vorlegte. Schläge erschütterten das Türblatt, gefolgt von Geschrei und lauten Flüchen.
»Ich kann Lanelle nicht finden!«, sagte Kione. Er ging von Pritsche zu Pritsche und musterte die Lehrlinge, wie ich es getan hatte, als ich Tali gesucht hatte.
Tali wimmerte: »Ach, Nya, einige fehlen. Denkst du, sie sind tot?«
Die erste Pritschenreihe war leer, aber die übrigen Krankenlager waren belegt. Ich drückte Tali den Pynviumsack in die Hände. »Fang an, das Zeug zu verteilen. Schnell.«
Wir brauchten so viele einsatzfähige Lehrlinge wie möglich, bis die Wachen die Tür aufbrachen. Sie mochten jung sein, aber Heiler wussten, welche Körperstellen empfindlich und wo verwundbare Gelenke waren. Und das mochte auch schon der einzige Vorteil auf unserer Seite sein.
»Wir müssen die Tür blockieren«, sagte ich und zerrte eine Pritsche hinüber. Aylin eilte mir zu Hilfe, während Danello sich mit dem Rücken gegen das Türblatt stemmte und der Riegel sich bereits lockerte.
»Ich muss erst Lanelle finden«, sagte Kione.
Einen entsetzlichen Moment lang hatte ich gehofft, sie hätte in der Reihe der leeren Pritschen gelegen. Scham zerrte an meinen Eingeweiden, aber wäre sie hier, würde sie alles erzählen, was ich ihr angetan hatte. »Später. Wir müssen erst die Tür verbarrikadieren.«
»Aber sie ist verletzt! Ich muss sie finden.«
»Sie wird tot sein, wenn die Wachen des Erhabenen hier reinkommen. Hilf uns!«
Bumm!
Die Tür erbebte. Kione wurde blass und rannte zur nächsten leeren Pritsche.
»Das war keine Faust und auch kein Fuß«, sagte Aylin und stemmte sich weiter gegen die Tür.
Schwertgriffe? Eine der kleinen Statuetten aus einer Nische? »Sie können so schnell keine Ramme gefunden haben.«
Kione wuchtete die Pritsche hoch. »Egal, was es ist, sie werden durchbrechen.«
Wir zerrten weitere Pritschen herbei und stapelten sie vor der Tür. Danello zeigte uns, wie wir sie ineinanderklemmen konnten, um das Gebilde stabiler zu machen. Das würde die Pritschen nicht davon abhalten, über den Boden zu rutschen, wenn die Tür nachgab, aber sie würden sich nicht ganz so einfach beiseiteschieben lassen.
Bumm!
Ein spinnennetzförmiger Riss zeigte sich über dem Riegel.
Danello sah sich um. »Gibt es irgendetwas Schwereres hier drin?«
»Ein paar Schränke, aber ich glaube nicht, dass wir die bewegen können.«
Tali kam mit geröteten Wangen herbeigerannt. »Ich brauche mehr Pynvium.« Sie gab mir die gebrauchten Klumpen. Sie sahen so klein aus, der Raum so groß. Ich zählte einundzwanzig Köpfe in dem trüben Lampenschein. Wenn sie alle so viel Schmerz trugen, wie Tali es getan hatte, dann würde ich jeden Pynviumklumpen für jeden Lehrling mindestens zweimal leeren müssen. Konnten wir die Wachen so lange aufhalten?
Kione verkantete eine Pritsche vor der Tür und sah Tali hoffnungsvoll an. »Hast du Lanelle gefunden ?«
»Nein, aber ich werde sie suchen und als Nächste heilen.«
»Sie ist die Letzte«, sagte ich, ohne nachzudenken, und zusammen mit den Blicken aller anderen traf mich ein neuerliches Gefühl der Schuld. »Heile erst die, denen es am schlechtesten geht. Lanelle hat nur ihren Schmerz, aber die anderen sind dem
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