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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Pritsche an den Händen, Halbgeheilte schlossen die Reihen und füllten die Lücken zwischen denen aus, die zu schwach waren, sich aufzusetzen.
    Tali ergriff die letzte Hand und streckte mir die Finger entgegen, das Kinn vorgereckt, einen harten Zug um die Augen. »Wie bei den Zwillingen, Nya. Gemeinsam sind wir stärker. Wir ziehen, du presst.«
    Einfach würde das nicht werden. Jeder Heiler konnte den, der vor ihm in der Kette war, heilen, aber je länger die Kette war, desto schlimmer würde es zum Ende werden. Bis die Schmerzen bei Tali waren, wäre sie nicht mehr in der Lage, sie aufzuhalten - und ich auch nicht. Ich würde den gesammelten Schmerz von ihnen allen, jedem Einzelnen von ihnen, in mich aufnehmen müssen. Aber anders als sie konnte ich ihn auch ohne Pynvium wieder loswerden.
    Ich umfasste Talis Hand, und Mamas Gesicht erschien vor meinem geistigen Auge. Plötzlich wusste ich, wie sie sich an diesem letzten Tag gefühlt hatte, als sie den Baseeri-Soldaten gegenübergestanden hatte. Sie war gestorben, um uns zu schützen. Nun würde ich sie - oder Geveg - nicht enttäuschen.
    »Danello, pack ihn, und schieb seinen Ärmel hoch«, sagte ich. Ich hatte Pymvium entladen, also konnte ich vielleicht auch eine Person entladen, den Schmerz durch ihn in den Rest des Raumes blitzen. Haut berührte Haut, und meine Hand erwärmte sich um Talis Finger. Es prickelte, es kribbelte, es stach, als wäre sie mir schon vor Wochen eingeschlafen.
    Wir alle hatten aus Verzweiflung schreckliche Dinge getan. Dinge, an die wir nicht einmal gedacht hatten, ehe der Herzog in unsere Stadt eingefallen war und unseren Versuch zu rebellieren umso grausamer niedergeschlagen hatte. Danello hätte mich nie gebeten, innerhalb seiner Familie zu transferieren. Lanelle hätte keinen Freunden wehtun müssen, um ihren Job zu behalten. Ich hätte keinen Fremden wehtun müssen, um meine Freunde zu schützen. Nichts von alldem war richtig, aber flickt man nur genug Übel zusammen, wird daraus eine Decke, die beinahe imstande ist, die Kälte fernzuhalten.
    Ich war es leid, unter der Decke des Herzogs zu bibbern.
    Ich zog, als Tali zog, als alle zogen, ineinandergriffen, jeder den Nächstschwächeren heilte und den Schmerz weiterschleppte wie eine Menschenkette einen Kübel Seewasser von einem der Kanäle, wenn irgendwo ein Feuer brannte. Aber es war kein Wasser, es war flüssiges Feuer, und es rauschte in mich hinein, brodelnd und heiß. Ich öffnete eine Schleuse, wie ich es mit dem Fischer gemacht hatte, mit den Schwestern, den Eltern und Familien all derer, die auf der Suche nach Hilfe zu Zertanik gekommen waren.
    Greller Schmerz erglühte zwischen uns. Zwei Dutzend Stimmen vereinten sich zu einem einzigen Schrei, der mir noch in den Ohren hallte, lange nachdem der Schmerz mich verlassen hatte, und erst, als Danello mich hielt und mir das verschwitzte Haar aus dem Gesicht strich, erkannte ich, dass das Echo, das ich hörte, das Stöhnen der Wachen vor der Tür war.
    »Nya?«, sagte er mit besorgter Stimme. »Kannst du mich hören?«
    »Danello?« Meine Zunge fühlte sich schwer und geschwollen an. Meine Arme fühlten sich noch schwerer an, und ich war nicht sicher, wo meine Beine waren. »Was ist ... Wachen ?«
    »Bewusstlos, vielleicht schlimmer. Es sieht so aus, als wäre der Schmerz geradewegs durch alle hindurchgefahren. Als hätte er sich, ich weiß nicht, wie, von dem Mann aus, den du festgehalten hast, auf die anderen übertragen.«
    Ich setzte mich auf und versuchte, meine Beine zu bewegen. Das schmerzhafte Prickeln verriet mir, dass sie noch da waren, obwohl ich im Moment nicht sicher war, ob ich sie überhaupt haben wollte. »Die anderen?«
    »Denen geht es gut. Etwa so wie dir, zumindest denen am Ende der Kette. Die auf der anderen Seite haben es besser getroffen. Sie mussten nicht so viel heilen wie die auf deiner Seite.«
    Irgendwie gelang es mir, mich umzudrehen. Tali war blass und verschwitzt, aber sie saß aufrecht und mit einem matten Lächeln im Gesicht da. »Geschafft«, murmelte sie. Die anderen lächelten mir zu, lächelten einander zu. Sie alle lebten und regten sich.
    »Wir müssen hier raus«. Ich mühte mich auf die Beine. Danello half mir auf, während Aylin Tali stützte. »Es werden mehr Wachen kommen.«
    Überall im Raum erhoben sich die Lehrlinge, und die, die weiter hinten waren, halfen jenen in der Nähe der Tür. Aufgeregtes Flüstern und hoffnungsfrohe Mienen pflanzten sich ebenso von einem zum anderen fort,

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