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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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wie es zuvor der Schmerz getan hatte.
    »Was haben wir getan?«
    »Hat Meisterheiler Ginkev uns je erzählt, dass wir uns so miteinander verbinden können?«
    »Was wir wohl noch alles können?« Dann allmählich verstummte das Flüstern, und die Augen richteten sich auf mich. Meine Haut kribbelte, als würden winzige Spinnen über meinen Körper laufen.
    Ich schüttelte die Arme. Der letzte Rest des Schmerzes versiegte, und ich fühlte mich wieder wie an dem Morgen nach dem Fährenunglück, aber diese Muskelschmerzen würden von allein wieder nachlassen.
    Ich wandte mich den Lehrlingen zu, dem lebenden Beweis dafür, dass der Erhabene gelogen hatte, den einzigen Menschen, die den Aufstand beenden und Geveg retten konnten.
    »Kommt. Es ist Zeit zu gehen.«

Einundzwanzigstes Kapitel
    A lle hasteten herbei und schnappten sich eine Pritsche, zerrten sie fort von der Tür wie Bergarbeiter, die in einer Pynviummine in der Falle saßen und sich nach einem Schachteinbruch selbst ausgraben mussten. Holz krachte geräuschvoll zu Boden, fiel klappernd auf einen immer größer werdenden Haufen an einem Ort, wo einmal mit Schmerz vollgepumpte Lehrlinge gewimmert hatten. Danello fand ein Schwert, das direkt vor der Tür lag, gerade außerhalb der Reichweite einer fahlen, reglosen Hand. Das Schwert war nicht so schmal wie sein Rapier, aber er sah aus, als wüsste er es zu gebrauchen.
    Ich wandte den Blick von der Hand ab und sah mich nach Tali um. »Du gehst mit Danello voran«, sagte ich. »Zeig ihm den Weg nach draußen. Ich komme nach.«
    Sie nickte. »Aber bleib nicht zu weit zurück.«
    Die Lehrlinge verließen hinter ihnen den Raum. Ein paar bückten sich, um eines der heruntergefallenen Schwerter an sich zu nehmen, die im Gang vor dem Turmzimmer auf dem Boden lagen. Ich umrundete den Wachmann, in den ich den Schmerz geschiftet hatte. Einige der anderen stöhnten und zuckten, aber er rührte sich nicht. Ein Teil von mir wollte nachsehen, ob er noch lebte, aber ich fürchtete mich zu sehr vor der Antwort.
    Auf dem Korridor war noch ein Dutzend weiterer Wachleute, also hatte der Erhabene offenbar den größten Teil der Wachen innerhalb des Gebäudes auf die Suche nach uns geschickt. Auch diese Männer wollte ich nicht ansehen, aber ich musste wissen, ob der Älteste Vinnot unter den Bewusstlosen und den ...
    Nein, das wollte ich nicht einmal denken. Sie waren alle nur bewusstlos. Vinnot fand ich stöhnend am oberen Ende der Treppe. Ich lächelte. Sollte er doch das in seinem Notizbuch vermerken! Ich widerstand dem Wunsch, ihm im Vorbeigehen einen Tritt zu verpassen, wandte mich von ihm ab und ging die Treppe hinunter.
    Ich folgte den Lehrlingen, die, angeführt von Danello und Tali, durch die Gänge eilten. Unterwegs überprüfte ich jede Abzweigung, jeden Raum, an dem wir vorüberkamen. Nirgendwo waren Wachleute, aber lange konnte es so nicht bleiben.
    Als wir im ersten Stock anlangten, ging ein nervöses Flüstern durch die Reihen.
    »Wachen!«
    »Was sollen wir tun?«
    »Pst, sie werden dich hören.«
    »Halt«, rief einer der Wachmänner, doch über die Lehrlingsschar hinweg konnte ich weder ihn sehen noch erkennen, wie viele andere bei ihm waren. »Was habt ihr hier zu suchen?«
    »Wir gehen«, sagte Danello. Ich konnte mir den gefährlichen Zug um sein Kinn lebhaft vorstellen, vorgereckt wie vermutlich auch sein Schwert.
    »Wer seid ihr?« Eine andere Stimme, jünger als die des ersten Wachmanns.
    »Wir sind die toten Lehrlinge«, sagte Tali. »Nur dass wir nicht tot sind. Und jetzt gehen wir.«
    Keine Antwort. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, war aber nicht groß genug, über die Köpfe hinwegzublicken.
    »Ihr könnt keine Lehrlinge sein...« Stockend griffen andere Stimmen seine Worte auf. Mehr als zwei Wachen, so viel stand fest. Ich sah mich im Kreuzungsbereich der Korridore nach etwas um, das mir zu einem besseren Überblick verhelfen konnte und fand ...
    »Lanelle«, keuchte ich. Als sie um die Ecke bog, stand sie mir plötzlich von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
    Mit geweiteten Augen wich Lanelle vor mir zurück, aber sie humpelte nicht. Also war sie geheilt worden!
    »Mestov, ich bin's, Dima«, rief ein Lehrlingsmädchen, an eine der Wachen gewandt. »Bitte, ihr müsst uns gehen lassen.«
    »Dima ? O ihr Heiligen, man hat uns gesagt, ihr wärt tot!«
    Nun überschlugen sich die Wachen vor lauten Fragen, schrien wild durcheinander. Offensichtlich hatten sie keine Ahnung, was weiter oben vor sich

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