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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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noch am gleichen Abend, und mitunter muss ein solches Schreiben außer der Reihe losgeschickt werden. Mit Eilboten und Pferdewechsel unterwegs!«
    »Sie hat Sehnsucht nach ihm.«
    »Ja, sehr. Aber sie ist auch wütend. Irgendetwas stimmt in Paris nicht, glaube ich. Der Herr Nicolaus hat gar nicht die Jurisprudenz erlernt, sondern anscheinend die Medizin. Und nun besteht die Frau Mutter darauf, dass er nach seiner Rückkehr städtischer Arzt wird. Den anderen, den Bertram von Altkerke, will sie aus dem Amt jagen, obwohl sie gar nicht weiß, wann Nicolaus kommt. Vielleicht schreibt sie ihm deswegen so häufig. Er antwortet seit einiger Zeit nur noch selten.«
    Taleke nickte verkrampft. Nachdem sie nicht mehr in Nicolaus’ Namen schrieb, musste die Korrespondenz fast eingeschlafen sein. So wie sie Nicolaus kannte, hatte er sich bestimmt davor gedrückt, seiner Mutter die ganze Wahrheit mitzuteilen. Sie erwartete vermutlich voller Stolz einen Sohn im schwarzen Talar, ohne zu ahnen, dass er nur eine Lehre machte und gar nicht städtischer Medicus werden konnte. Einen Chirurgus beschäftigte die Stadt Lübeck nicht. »Stadtmedicus … Wird seine Mutter das schaffen?«
    Elske nickte nachdrücklich. »Die alte Schnepfe erreicht, was sie will. Die wird ihrem Mann herzzerreißend vorschluchzen, dass das städtische Amt das einzig angemessene Amt für ihren Nicolaus ist, und wenn der Ratsherr das nicht schafft, wird sie ihn bis zum Sanktnimmerleinstag aus ihrem Bett aussperren. Wir Mägde wissen, was in der Schlafkammer der Herrschaft vor sich geht, sein Betteln um ihre Gunst ist ja laut genug. Und der Ratsherr wird gehorchen und im Rat …«
    »Intrigen spinnen«, half Taleke aus.
    »Ja, genau, so nennt man es«, stimmte Elske befriedigt zu. »Du wirst sehen, in ein paar Monaten kennt niemand mehr den Medicus Bertram von Altkerke. Macht nichts, zu unsereinem kommt so einer sowieso nicht.«
    »Ja, für uns bessert sich nichts, ganz gleich, was die da oben treiben«, stimmte Taleke zu, um Elske zum Schwatzen zu ermuntern. Vielleicht erfuhr sie noch etwas Brauchbares.
    Elske nickte und machte tatsächlich ein geheimnisvolles Gesicht. Taleke hatte schon die ganze Zeit gesehen, dass sie etwas hinter ihrem Rücken verbarg.
    »Ich habe noch einen zweiten Brief«, verkündete Elske. »Willst du mal sehen?«
    Natürlich wollte Taleke. Sie bückte sich, um die ungewohnte Schrift auf dem Schreiben zu lesen, das Elske ihr hinhielt, aber nicht aus der Hand gab. »Taleke, Lübeck, Madame Taleca de Lubeca. Mein Gott, wie kommst du denn daran?«, stieß sie verwundert aus.
    »Schlau von mir, nicht? Ich sehe nämlich jeden Tag heimlich die Briefe wegen Nicolaus durch. Und der Herr Puttfarcken erhält als Ratsherr doch alle Briefe für Lübecker Bürger, bei denen man nicht weiß, wo sie wohnen, und schickt dann die Stadtdiener zum Suchen aus. Einiges konnte ich nicht lesen, aber deinen Namen habe ich herausbekommen. Das hier kostet dich aber extra.« Sie wedelte außer Reichweite von Taleke mit dem Schreiben herum.
    »Selbstverständlich«, sagte Taleke abwesend. Sie drückte Elske das Doppelte eines vernünftigen Entgelts in die Hand und entließ die Frau, die sich, mit der Nase hoch in der Luft, ihren Triumph über die dumme Heilerin kaum verkneifen konnte.
     
    Zuerst las Taleke den so überraschend eingetroffenen Brief, der von Madame Adaliz stammte. Er war offenbar in höchster Bedrängnis abgeschickt worden. Ihr Bruder Josse war verhaftet worden und saß im Châtelet ein. Die Anklage kannte sie noch nicht, aber sie hatte durch ihre guten Kontakte herausbekommen, was zur Verhaftung geführt hatte: Der Conde de Craon hatte den Hinweis geliefert, dass Isabelle de Rohan einige Wochen vor ihrer Hochzeit bei dem ehemals berühmten und immer noch fingerfertigen Chirurgen Josse gewesen und anschließend von einer gewissen Heilerin Taleke de Lubeca zu Isabelles alter Amme gebracht worden war.
    Isabelle hatte sich einer Untersuchung unterziehen müssen, bei der nichts Verdächtiges entdeckt worden war, insbesondere war im Geburtskanal keine Narbe gefunden worden, die von einem Chirurgen stammen konnte. Sie habe sich wegen ihrer schmalen Hüften beraten lassen, machte sie geltend, aber dies wurde von den Anklägern als nicht glaubhaft abgelehnt. Isabelle war in ein Kloster gesperrt worden, um jedem Fluchtversuch zuvorzukommen.
    Adaliz’ Gewährsmann wusste auch, dass die illegale Heilerin Taleke kurze Zeit nach Isabelles Besuch aus Frankreich

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