Die Heilerin von Lübeck
einen Bauern, der Fische gegen Stroh tauscht. Stroh ist auf einem Hof häufig im Überfluss vorhanden, aber im Bach zu fischen, der durch sein Anwesen fließt, ist dem Pächter oft nicht erlaubt. Den würde das Tauschgeschäft freuen. Übrigens würde er vielleicht auch die eine oder andere Ente oder Gans gegen Fische hergeben. Dann spart er das Geld für die Fastenspeise.«
Der Schiffer kratzte sich am Kopf. »Meinst du wirklich? Das hört sich an, als ob du oft mit Pachtbauern zu tun hast.«
»Ich bin auf einem holsteinischen Gut groß geworden. Jeder Inste wäre dankbar für eine kostenlose Abwechslung in seinem Speiseplan. Stroh kann er sich meistens beschaffen, und wenn er sich die Halme einzeln auf dem Feld zusammenklauben muss. Das darf er.«
Der Schiffer schneuzte sich in den Ärmel. »Man erzählt sich, dass du deine Kunst in Paris erlernt hast. Kaum zu glauben, dass du von einem Gut stammst, auf dem es Insten gibt. Weil du rumgekommen bist, werde ich deinem Rat folgen.«
»Und spute dich«, ergänzte Taleke warnend. »Es könnte sein, dass die Probatoren sehr schnell zu euch kommen, um die Leprabeschau durchzuführen.«
»Dann zerbricht unser aller Leben. Allein schafft es keiner von uns.«
Taleke nickte besorgt.
Nach zwei weiteren Tagen hatte sich im Haus des Schiffers manches zum Besseren gewendet. Die Anzeichen der Krankheit waren sowohl bei Nese als auch bei ihrem Mann zurückgegangen, der muffige Geruch war einem würzigen Duft nach Stroh gewichen, und Holzscheite waren an der Wand gestapelt. Eine gewaschene, noch etwas feuchte Decke trocknete an Holzpflöcken an einer anderen Wand. Taleke war sehr zufrieden mit dem, was sie sah. Mit dem Schmutz war auch der Eindruck von Ärmlichkeit hinausgefegt worden.
Nese sang sogar, als Taleke kam. Sie hockte neben der Feuerstelle und badete ihre Hände in erhitztem Kamillenwasser, als sie Talekes prüfende Blicke bemerkte. »Ja, die Welt ist wieder etwas heller geworden. Und wärmer.«
»Gottlob«, bemerkte Tidemann dankbar. »Das Kapitel hat keinen Grund mehr, uns aus unserem Haus zu werfen und es an eine andere Familie zu vermieten. Für eine höhere Miete, aber das versteht sich ja von selbst, nachdem sie das Dach vor einigen Jahren haben instand setzen lassen müssen.«
Nese schüttelte den Kopf und erhob sich. Mit einer liebevollen Geste legte sie den Arm um ihren Mann. »Du weißt genau«, meinte sie in versöhnlichem Ton, »dass sie unsere Hütte abreißen wollen, um ein weiteres Steinhaus für den Klerus des Kapitels zu bauen. Hier kommt keine neue Familie rein, nicht einmal, wenn sie das Doppelte an Pacht bezahlen würde.«
Tidemann seufzte. Es war ein anscheinend oft zwischen den Eheleuten besprochenes Thema, bei dem sie sich nicht einig waren. »Du hattest recht«, sagte er zu Taleke, »was die Fische betrifft. Ich habe einen Hufenbauern gefunden, der dankbar ist, mal etwas anderes als Salzheringe essen zu können. Dieser Tauschhandel passt uns beiden gut.«
Taleke nickte schmunzelnd.
Vor der Hütte waren Stimmen zu hören.
»Unser Sohn bringt anscheinend jemanden mit«, vermutete Nese.
Statt des Jungschiffers traten jedoch drei Männer ein, einer im schwarzen Talar des Arztes, die beiden anderen waren Geistliche. Der Jüngere von ihnen trug einen grauen Umhang über dem Arm und Klapper und Trinkflasche in der Hand.
Taleke verzog sich unauffällig an die Rückwand der Hütte. Die Probatoren brachten allein auf Verdacht die Insignien für einen Aussatzkranken mit. Wie konnten sie nur so unbarmherzig sein! Oder waren sie etwa entschlossen, Aussatz festzustellen, auch wenn es gar keiner war?
Nese sank erschrocken auf die Bettstatt, ihr Blick wanderte zwischen den Geistlichen hin und her. »Es ist keine Miselsucht, Pater Dionysius«, rief sie.
»Das können wir erst feststellen, wenn wir dich offiziell besehen haben, wie es unserer Berufung entspricht«, antwortete der Arzt statt seiner. »Ich bin Bertram von Altkerke, Medicus der Stadt Lübeck. Wir werden dich vorschriftsmäßig nach den sechzehn Zeichen befragen und dich entsprechend untersuchen, und danach fällen wir unser Urteil.«
Taleke beobachtete, wie der junge Priester die Lepröseninsignien ablegte und eine Wachstafel mit Stift hervorkramte. Dann war er bereit, Protokoll zu führen.
»Wir beginnen.« Der Arzt mit der unbeteiligten Stimme hatte die Zeichen offenbar im Kopf. »Hast du, Nese Schiffersfrau, harte und höckerige Muskeln – du würdest dazu Fleisch
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