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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Nachteil …«
    Gutes hatte immer einen Haken. »Der wäre?«, fragte Taleke ahnungsvoll.
    »Er ist immer sehr, sehr hungrig.«
    »Ach, wenn es weiter nichts ist«, sagte Taleke erleichtert. »Ich suche schon lange nach jemandem, der bereit ist, das dritte Huhn und die bis zu fünfzehn Eier eines Behandlungstages zu verzehren.«
    »Er wird Euch dafür lieben. Allerdings bitte ich darum, ihn nicht so fett zu füttern, dass er nicht mehr durch die Luken in den Laderaum passt.«
    Taleke schüttelte lächelnd den Kopf, während sie mit trüben Gedanken ins Feuer starrte.
    »Sind damit Eure Sorgen behoben?«
    »Nein, eigentlich nicht«, bekannte Taleke mit einem Seufzer. »Das war nur die neueste Sorge. Die ältere und möglicherweise auch wichtigere sind die Blattern. Ich fragte Euch einmal danach, aber Ihr hattet von keinem Vorkommen gehört.«
    Wittenborch nickte zustimmend.
    »Ich habe mich auch beim städtischen Medicus erkundigt. Er wusste ebenfalls nichts von Blatternkranken.«
    »Ja, und?«
    »Blattern sind zuerst aufgetreten bei dem Lehrling Hermen in der Brauerei Blomenrot. Er ist dank guter Pflege gesund geworden. Danach befielen sie die Familie des Maurermeisters Johann Hilge. Seine Ehefrau und vier Kinder starben. Inzwischen siecht seine fünfzehnjährige Magd an Blattern dahin.«
    »Ich verstehe Eure besondere Sorge immer noch nicht«, sagte Wittenborch.
    »Ich habe in beiden Häusern behandelt. Jeweils einige Zeit später erkrankten dort einer oder mehrere an Blattern.«
    Wittenborch zog Luft zu einem verhaltenen Pfiff ein. »Ihr vermutet, dass es etwas mit Euch zu tun haben könnte?«
    »Ja.«
    »Ihr habt doch gewiss in letzter Zeit mehr Menschen als diesen Hermen und die Hilges behandelt?«
    »Ja, das stimmt«, sagte Taleke überrascht. Es waren schon so viele, dass sie hätte nachzählen müssen. Und etliche von denen konnten den vorigen Blatternlauf aufgrund ihrer Jugend nicht erlebt haben.
    »Dann ist es Zufall.«
    Nein! In Paris war ihr doch das Gleiche passiert. Aber Taleke fand keinen Mut mehr, Volrad auch davon noch zu erzählen. »Vielleicht könntet Ihr Augen und Ohren offen halten.«
    »Das werde ich«, versprach Wittenborch und stand auf. »Tideke wird sich heute noch bei Euch melden. Bitte nehmt ihn stets mit, wenn Ihr irgendwohin gerufen werdet, auch wenn Ihr die Leute kennt. Von denen geht zwar keine Gefahr aus, dafür aber umso mehr von den Unsichtbaren, von denen Ihr unterwegs nichts merkt. Werdet nicht nachlässig, Meisterin Taleke, wenn eine Weile nichts passiert.«
    »Ihr bitte auch nicht. Wenn Ihr irgendwo etwas von Blattern hört, nehmt die Beine in die Hand. Es sei denn, Ihr hättet Kinderblattern durchgemacht.«
    »Habe ich.«
    »Sicher?«
    »Ganz sicher.« Wittenborch reichte Taleke beide Hände und war erhitzt und wunderbar anzusehen. Er zog sie ungestüm zu sich heran, und Taleke wurde plötzlich von der Vision gepackt, er würde sie küssen, und wünschte es sich. Dann fiel ihr ein, dass dies das Benehmen einer Dirne wäre. Sie entzog sich ihm sittsam und wünschte ihm mit belegter Stimme einen guten Abend.
     
    Noch am selben Abend kam bei Dunkelheit Tideke zu ihr, unter dem Arm eine Rolle. Seine Hängematte. Er schlafe am liebsten schaukelnd wie auf See, sagte er. Ein großer Bursche, rothaarig wie der Teufel, dürr wie ein Hopfenstengel und mit breitem, fröhlichem Mund. Am Gürtel trug er ein kräftiges Messer. Er war derjenige, der trotz seiner Jugend in Gothmund für die Mannschaft gesprochen hatte. Taleke erkannte ihn sofort wieder.
    Sie schlug ihm sechs Eier in die Pfanne und gab ordentlich Speck dazu. Nachdem er auch das letzte Restchen Fett mit Brot aufgetunkt hatte, schlug er hölzerne Pflöcke in zwei Gefache ihres Hauses, hängte die Hängematte daran auf und warf sich hinein. Noch während Taleke erstaunt zur Kenntnis nahm, dass seine Füße einen Fingerbreit vor der Eingangstür schwebten, schnarchte er schon.
    Jetzt fühlte sich Taleke ganz sicher. Volrad hatte für Tideke gebürgt, und dem Schiffer traute sie rückhaltlos.
     
    In den nächsten Tagen hatte Taleke einige Krankenbesuche zu machen, um nach dem Fortschritt der Gesundung zu sehen, und überall schied sie zufrieden.
    Tideke sprach wenig und verringerte in angemessener Weise ihre Vorräte. Als dann eines Tages in der Dämmerung ein Junge angelaufen kam, um Taleke zu einer Frau zu holen, die wie ein Fisch nach Luft schnappen sollte, hob er gebieterisch die Hand, um die Geschwindigkeit ihrer

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