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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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mich selbst auf den Strafstuhl befördert.«
    »Nicht unbedingt. Wenn ich Mutter Cossebode wäre, ich würde Euch mit Windgeschwindigkeit holen lassen. Ihr seid ihre letzte Hoffnung.«
    »Ja.« Taleke wusste nicht mehr, was sie einwenden konnte.
    »Soll ich versuchen, die Familie zu überzeugen? Ein Junge und ein Mädchen kämpfen mit dem Tod. Ich würde an Eurer Seite bleiben. Wenn Ihr fallt, dann falle ich auch.«
    »Nein, nein«, stammelte Taleke überwältigt. »Das kann kein Mensch von Euch verlangen. Und welchen Sinn sollte es auch haben, dass Ihr mit mir verurteilt würdet?«
    Der Arzt grunzte ablehnend. »Ich setze auf das Urteilsvermögen der Kaufleute. Männer, die mit Silberlingen, Schiffspfunden, Liespfunden und Timmern zu rechnen gewohnt sind, wissen, dass alle Waren einen Wert haben, auch die Gesundheit. Sie lassen sich nicht ausnahmslos einreden, dass der Herr grundlos ihre unschuldigen Kinder sterben lassen möchte. Und für welche Ware sollten sie wohl mit dem Tod dieser Kinder bezahlen? Für ihre eigenen kleinen und großen Betrügereien?« Er machte eine Pause.
    »Ein ehrbarer Kaufmann wird Einspruch gegen seinen Herrn im Himmel erheben und um das Leben seines Kindes kämpfen. Und Ihr, Taleke, seid wie der Handelsagent, der zwischen Kaufmann und seinem Warenlieferanten vermittelt. Den lässt man auch nicht fallen, weil unterwegs das Schiff ohne seine Schuld in einen Sturm geriet und unterging.«
    Taleke hörte ihm zu, völlig durcheinander. Von Altkerke betrachtete Krankheiten ähnlich nüchtern wie Razes und unterstellte den Kaufleuten, dass sie zumindest teilweise genauso dachten. »Meint Ihr wirklich?«
    »Ja.«
    »Dann fragt Frau Cossebode, ob ich kommen soll«, sagte Taleke entschlossen. Wenn Volrad gegenwärtig keinen Ausweg wusste: Ihr war einer in den Schoß gefallen. Wo konnte sie sicherer sein als im Haus eines wohlmeinenden Ratsherrn?
    »Noch eine persönliche Frage, wenn Ihr gestattet«, bemerkte der Arzt.
    Taleke nickte.
    »Wie alt wart Ihr, als Ihr blatternkrank wart?«
    »Ich hatte nie Blattern«, bekannte Taleke. »Razes muss sich irren. Er schreibt zwar, dass nur jemand, der sie früher hatte, gegen einen neuen Blatternlauf gefeit ist, aber bei mir trifft das nicht zu.«
    »Razes ist einer der besten Medici, die es jemals gegeben hat. Auch ich habe seine Abhandlung über Blattern durchgearbeitet, aber seine Ratschläge nie praktisch anwenden müssen. Und er sollte sich ausschließlich im Hinblick auf unsere Meisterin Taleke irren? Das glaube ich nicht. Vielleicht erinnert Ihr Euch nicht daran, dass Ihr erkrankt wart.«
    »Meine Mutter hat mir, kurz bevor ich ging, zufällig alle Kinderkrankheiten aufgezählt, die ich jemals hatte«, berichtete Taleke mit einem Seufzer. »Damals war ich gelangweilt, heute weiß ich, dass sie um mich besorgt war. Sie wollte mir alles mitgeben, was mir von Nutzen sein konnte, und ich bin ihr dankbar. Vor Kinderflecken muss ich als Heilerin nie Angst haben – dagegen bin ich gefeit.«
    Von Altkerke schüttelte den Kopf. »Falls Ihr wirklich nie Blattern hattet, muss es da etwas geben, was wir noch nicht wissen.«
    Taleke schmunzelte. »Wenn Euch damit gedient ist, ich hatte, als ich auf dem Gut beim Melken aushelfen musste, eine Art Blattern – Kuhblattern. Wir nannten sie auch Melkerknoten.«
    »Ach, tatsächlich!« Von Altkerke lauschte entzückt. »Womöglich gibt es da einen Zusammenhang. Künftige Generationen werden es herausfinden, da bin ich sicher.«

Kapitel 28
    Es tat Taleke von Herzen leid, dass sie sich nicht selbst um Adaliz kümmern konnte. Volrad Wittenborch würde Josses Schwester hoffentlich erklären, gegen welch gefährliche Machenschaften auch ihr kleiner Kreis im Augenblick in Lübeck anzukämpfen hatte.
    Gespannt betrat Taleke im Morgengrauen an der Seite von Bertram von Altkerke und einem Knecht das Anwesen der Cossebodes. Unterwegs flog ihr das hässliche Wort von der Blatternkönigin zu, jedoch gedämpft, was vielleicht an ihrer Begleitung lag. Von Altkerke tat, als habe er nichts gehört.
    Die bleiche Hausfrau begrüßte sie selbst und brachte sie sofort zu den kranken Kindern.
    Das Mädchen war am schlimmsten dran. Es phantasierte in glühender Hitze, warf sich im Bett herum und schrie vor Schmerz, als ob Dämonen ihm den Rücken zernagten. Zuweilen röchelte es, weil ihm Luft fehlte.
    »Glaubt Ihr, wir könnten von irgendwoher Granatäpfel bekommen?«, fragte Taleke den Medicus, jedoch fast ohne Hoffnung.
    »Ich kann es

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