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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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und er zog die Augenbrauen nach oben, während er auf Taleke herabschaute. »Vergiss deinen Stand nicht! Ich habe dich auf der Straße aufgelesen! Deine Sorte ist in Lübeck bündelweise zu haben. Nur zuerst hielt ich dich für eine Handwerkerfrau aus dem Dänischen – bis ich dich habe fressen sehen wie ein Schwein.«
    »Tut mir leid«, murmelte sie ergeben.
    »Schon gut. Ich bin bald wieder hier, Heinrich übrigens auch.«

Kapitel 4
    Hinter dem Häuschen schloss sich ein schmales Grundstück an, in dem die künftigen Bewohner sich ihren Gemüsegarten einrichten, vielleicht auch drei Hühner oder ein Schwein halten konnten.
    Die beiden Stuben zu ebener Erde waren schnell besichtigt. Die eine wies Herd und Rauchfang auf, in der anderen hatten sie geschlafen. Dann kletterte Taleke die schmale Stiege nach oben und gelangte in ein Zimmer mit Giebel. Über sich sah sie das Gebälk und den freien Durchblick zum Reetdach. Aus der Giebelöffnung blickte sie über die hier niedrige Stadtmauer hinweg auf hohe Bäume. Sie setzte sich und träumte sich über das still fließende Wasser der Wakenitz hinweg. Sie war immer noch müde von der Wanderung.
     
    Die Tür zur Gasse fiel zu. Taleke wachte auf, erschrocken, weil die Sonne inzwischen so weit gewandert war. Sie musste den halben Tag verschlafen haben. Dann sprang sie die Treppe hinunter und stand vor Heinrich, dem Knecht, der das nächste Mahl besorgt hatte. Als er das schützende Tuch beiseitezog, sah sie im Korb eine ganze Anzahl faustgroßer Pasteten, gebratene Singvögel und zwei hölzerne Flaschen.
    »Dein Herr ist fortgegangen«, erklärte Taleke etwas unzufrieden, weil mittlerweile der Hunger schon wieder an ihr nagte, aber in den Sternen stand, wann Nicolaus zurückkehren würde.
    »Ich weiß. Du kannst ruhig schon essen, Frau. Der junge Herr Puttfarcken sitzt in der ›Goldenen Gans‹ und hält seine Freunde frei. Das wird bis zum späten Nachmittag dauern.«
    Die Pasteten dufteten verlockend. Taleke blähte die Nüstern und dachte, dass sie sich gerne zum Zugreifen überreden lassen würde. »Riecht gut, der Fraß.«
    »Die Pasteten habe ich wie immer in der ›Goldenen Gans‹ bestellt«, begann Heinrich seine betuliche Erklärung. »Während ich wartete, versammelten sich die jungen Herren Kaufleute unter Herrn Puttfarckens Führerschaft. Sie beraten irgendetwas Geheimnisvolles, und dabei trinken und speisen sie. Du kannst mir ruhig glauben.«
    Taleke schloss die Augen und schnupperte ausgiebig. Myrte, sie erkannte sofort diesen aufregenden Duft, den sie einmal in der Herrenhausküche von Schönrade gerochen hatte.
    »Für dich habe ich Krammetsvögel mitgebracht, als Pastete und als kleine Braten, weil der Herr keine Singvögel anrührt.«
    »Damit ich sie für mich allein habe?«, stammelte Taleke überwältigt und starrte die Vögelchen an, denen man die Augen ausgestochen und die Füße über Kreuz in die Augenhöhlen gesteckt hatte. Sie dufteten herrlich nach Wacholder.
    Der Knecht nickte. »Das ist die einzige Möglichkeit, ihn davon abzuhalten, sich alles zu nehmen, was er will. Er ist zuweilen gedankenlos.«
    »Magst du Krammetsvögel?«
    »Ich esse alles, was dem Menschen zuträglich ist, es ist meistens ohnehin zu wenig. Meine Frau und ich gehen oft hungrig zu Bett.«
    Taleke hätte ihm nicht geglaubt, wenn er nicht so ausgemergelt gewesen wäre. Sie wusste, wie einer aussah, der Hunger hatte. »Dann komm. Wir schlagen uns die Mägen mit meinem Essen voll«, bestimmte sie und schob Heinrich die Singdrosseln zu. Dass Puttfarcken den Knecht gezwungen hatte, die Speisen vom Vorabend als Almosen um seines eigenen Seelenheils willen zu verschenken, während sein Gesinde hungerte, hatte sie überrascht. Verwundert war sie vor allem darüber gewesen, dass reiche Leute sich nicht anders verhielten als der Verwalter eines Gutes.
    Sie teilten sich das gute Bier, den Wein ließen sie dem Herrn Nicolaus. Die Pasteten mit den kleingehackten Vögeln schmeckten herrlich. Am Vortag hatte Taleke in ihrem Hunger alles geschluckt, was ihr auf den Löffel gekommen war, heute aber konnte sie die Speise voller Andacht genießen, auch weil es wahrscheinlich nicht ihr letztes von Nicolaus bezahltes Mahl sein würde.
    »Ist Nicolaus Puttfarcken ein guter Mensch?«, erkundigte sich Taleke beiläufig.
    Heinrich lutschte auf einem Knöchelchen, das in der Fleischmasse verblieben war, und zog es vorsichtig zwischen den abgenutzten Zähnen hervor. »Er ist wie alle reichen

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