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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Kaufleute, denke ich. Der Sohn seines Vaters«, sagte er vorsichtig. »Die meisten gelten als großherzig und mildtätig, sie geben Gelder für städtische Stiftungen und lassen sich dafür belobigen und feiern.«
    »Aber?«
    »Viele sind gegenüber ihrem Gesinde geizig, ehrlich gesagt. Denen, die in den Kaufmannshöfen zu tun haben, sieht man an, wie schwer ihr Leben ist: den Stallknechten, Halbknechten, Mägden, Laufburschen, Wasserholern, Feuerholzspaltern … Nur den Lehrlingen in der Schreibstube geht es etwas besser, weil ihre Herren sie schließlich nicht als Knochengestelle zu Kunden schicken können.«
    Taleke mochte es fast nicht glauben, doch sie verstand seine erbitterten Bemerkungen. Heinrich war kurzatmig und hatte wahrscheinlich Schmerzen in Knien und Fingern. Deshalb war er langsam in seinen Bewegungen. Die Anzeichen kannte sie.
    »Dem Herrn Nicolaus kann man so etwas natürlich noch nicht nachsagen. Er ist jung und pflegt manchmal über die Stränge zu schlagen. Wenn er aus Paris zurückkommt, wird er zu einem ehrbaren Mann geworden sein. Kaufmann und Ratsherr und obendrein die Juristerei von Paris – damit wird er es weit bringen. Er soll Bürgermeister oder wenigstens Münzherr werden.«
    »Da ist die Familie gewiss stolz auf ihn«, mutmaßte Taleke und bemühte sich bewusst um eine dem gütigen alten Mann würdige Sprache.
    »Die Mutter vor allem. Sie sieht ihm alles nach, weil er ihr Erstgeborener ist.«
    »Du bist verheiratet. Hast du auch Kinder?«, fiel Taleke ein, weil ihr aufging, dass ein hungernder Knecht der reichen Kaufmannsfamilie Puttfarcken möglicherweise nicht endlos deren Lob singen wollte.
    Heinrich nickte und träumte sich mit einem Lächeln für einen Augenblick aus der harten Wirklichkeit fort. »Kinder haben wir gottlob nicht, wie sollte ich sie ernähren? Aber mit meiner Elske bin ich zufrieden, sie ist eine schlaue Frau. Die Herrin hat uns die Heirat erlaubt und uns einen eigenen Verschlag im Giebel des Vorderhauses gegeben. Er ist zugig, und wir zahlen dafür, aber es ist besser, als mit allen Knechten und Mägden zusammen in der stinkenden Bude hinter dem Haus zu hausen.«
    Taleke blickte durch die auf die Stadtmauer mit dem seltsamen halben Turm hinausgehende Fensteröffnung, um zu entdecken, dass die Sonne bereits tief stand und die Krähen ihre Schlafbäume anflogen. »Wenn du satt bist, sollten wir jetzt zusammenräumen«, schlug sie vor, »damit der Herr Nicolaus keine Unordnung vorfindet.«
    »Oh, das hat Zeit. Der kommt noch lange nicht, ich kenne ihn seit seiner Geburt.« Trotzdem erhob Heinrich sich gehorsam, und Taleke half ihm auf die zitternden Beine.
     
    Kaum waren die Bierflasche im Korb verstaut und die Pastetenkrümel für die Vögel in das Gärtchen geworfen, polterte Puttfarcken zur Tür herein. Er war schlecht gelaunt, Taleke sah es, obwohl sie ihn noch kaum kannte. Hastig schob sie Heinrich in den Hintergrund und trat vor den Kaufmannssohn. »Ich freue mich, dass du zurück bist, Herr! Wie ist es mit den Fellen und der Ahle gegangen? Hast du alles zu deiner Zufriedenheit bekommen?«
    »Nein«, knurrte Nicolaus. »Es war der falsche Tag. Mein Vater und sein Gehilfe haben heute sämtliche Warenbestände in den Kellern überprüft. Durchgezählt, aufgelistet und ihren Wert berechnet.«
    »Gut«, befand Taleke, weil sie nichts Besseres zu sagen wusste. Außerdem stimmte es. Wie erhofft: ein weiterer Tag mit fürstlichen Speisen.
    »Einerseits. Die Berechnungen ergaben, dass alles in Ordnung ist. Morgen aber, ab morgen werden Eichhörnchenfelle fehlen …«
    »Man wird wissen, wann sie verschwunden sind, zumindest, dass sie vor deiner Abreise noch vorhanden waren«, wandte Taleke ein.
    »Pech.« Nicolaus zuckte gleichgültig die Schultern. »Du hast schon gegessen? Recht so. Es dauerte wegen der Überprüfung etwas länger.«
    War er denn bei der Überprüfung dabei gewesen? Taleke nickte trotzdem.
    Danach richtete Nicolaus seinen Blick auf Heinrich, rümpfte die Nase und schnüffelte in die Luft. »Und du hast getrunken. Vom Bier der Herrschaft.«
    Heinrich senkte schuldbewusst den Kopf.
    »Ich habe ihn genötigt, Nicolaus, ich fühlte mich so einsam«, rief Taleke Mitleid heischend aus. »Ich wusste nicht, dass du es nicht gestatten würdest.«
    »Aber er wusste es«, sagte Nicolaus im Ton tiefster Verachtung. »Heinrich, Diebstahl an der Herrschaft wird mit Pranger bestraft. Das ist dir klar, nicht wahr?«
    Heinrich nickte ergeben.
    »Ich will Gnade

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