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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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vergrautem Kalkstein zu entdecken.
    Der Bauer staunte sie mit offenem Mund an, aber als er verstanden hatte, was sie zu ihm führte, war er sofort bereit, ihr Gänse im passenden Alter zu verkaufen. »Könige! Adel! Verfluchte Bande! Die wollen mir mein kleines Stückchen Land abjagen, um ihre Gärten mit dem Louvre zu vereinigen!«, schimpfte er. »Na, ich ziehe bald zu meiner Tochter und habe damit nichts mehr zu tun.«
    »Tut mir leid«, murmelte Taleke teilnahmsvoll, die Herrscher auch nicht mochte und sich vieles von dem zusammenreimen konnte, was er sagte.
    Der Alte beruhigte sich und kniff ein Auge zusammen, während er sie abschätzig betrachtete. »Soll ich dir verraten, wie wir hier die besten Gänse von Frankreich machen? Ach was. Von der Welt! Die Pariser würden sie dir anders gar nicht abnehmen. Und du bist nicht von hier. Ich kann es dir zeigen.«
    Schon wollte Taleke dankend ablehnen, weil sie ja die Studenten des Nordens verköstigen wollte. Aber die Neugier und ihr Wille, alles zu lernen, was sich ihr bot, ließen sie zögern und dann nicken.
    »Das Geheimnis ist die Mast! Verstehst du?«
    Nein, Taleke kannte diese Art der Fütterung nicht. Der Bauer klemmte sich eine der Gänse unter den Arm und steckte ihr ein kurzes Rohr wie von einer Sackpfeife in den Schnabel, und der Rest sah auch genauso aus, abgesehen davon, dass der prall gefüllte Sack aus dem Magen eines Tieres oben abgeschnitten und offen war.
    »Was ist da drin?«
    »Haferbrei. Mit ein wenig Salz.« Der Bauer pumpte den Inhalt eine Weile in die Gans hinein, hängte den Sack an einen Holzpflock und begann dann, die Gänsekehle zu massieren, bis der Klumpen verschwunden war. »Fertig. Das machst du morgens, mittags und abends bis zum Schlachttag. Die Pariser sehen Gänse, die nur Weidefutter bekommen, als verhungert an. Die kannst du an Arme verkaufen und hast nur Arbeit gehabt und nicht einmal die kleinste Silbermünze verdient. Aber große, goldgelbe Lebern von gestopften Gänsen – die wissen die Köche der Paläste zu schätzen, sie reißen sie dir aus der Hand.«
    Taleke nickte voller Bewunderung. So etwas kannte man nicht auf dem Gutshof in Holstein. Welch ein Versäumnis! Sie war fest entschlossen, es auszuprobieren, umso mehr, als der Bauer bereit war, ihr auch einen alten Hafertrichter abzutreten. Sie einigte sich mit ihm, dass sie die sechs Tiere am folgenden Tag abholen würde. Dafür benötigte sie drei Körbe und vor allem als Helfer Nicolaus. Zufrieden schieden sie voneinander.
    Als Taleke fast außer Hörweite war, rief er ihr etwas nach, das sich wie eine Warnung anhörte. Vor den Leuten im »Eierhafen«? Vielleicht hatte sie ihn auch falsch verstanden und meinte das Gesindel hier im Brachland. Auf dem Rückweg machte sie einen großen Bogen um diese Ärmsten der Armen.
     
    Taleke war so glücklich über den erfolgreichen Versuch, sich ihre neue Heimat, in der sie sich voraussichtlich mehrere Jahre aufhalten würde, zu erobern, dass sie sich auf dem Heimweg nicht sonderlich eilte, kaum dass sie sich wieder innerhalb der Stadtmauer befand.
    Vor einem kleinen, unscheinbaren Palast in der Nähe des Tors blieb sie stehen, um einen Blick auf die Speisen zu werfen, die der Pastetenkoch des Fürsten an die Vorübergehenden verkaufte. Diese Pasteten von der Tafel, gewiss von einem Bankett am Vorabend, sahen frisch aus und dufteten herzhaft. Kühn entschloss sie sich, an diesem Tag etwas mehr Geld als sonst auszugeben und zwei unterschiedliche Pasteten in knuspriger Brotteighülle zu erstehen, die eine mit einer Füllung aus Kalb und Lämmchen, die andere mit Huhn und Schwan. Singvögel verarbeite er in Pasteten nicht, beteuerte der Koch, der kurzbeinig und klein wie ein Zehnjähriger war, aber ein ehrliches Gesicht hatte. Und wer so fett geworden war, musste einfach gut kochen können.
     
    Nicolaus war immer noch schlechter Laune. Er machte ein abweisendes Gesicht, als Taleke ihn bat, am nächsten Tag mit ihr zusammen die Gänse abzuholen.
    Als sie ihn zu überreden versuchte, versagte er ihr jede Hilfe, und darüber gerieten sie in ihren ersten Streit. Taleke erfuhr nicht einmal einen verständlichen Grund. Alles, was er anführte, gipfelte darin, dass ein Studierender der Medizinischen Fakultät von Paris, der sich ab der kommenden Woche in Talar und unter dem Barett mit
lectio
und
disputatio
befassen würde, keine schnatternden Gänse in sein Heim tragen würde.
    Sofort vom eigentlichen Thema abgelenkt, erkundigte sich

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