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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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bin der Sohn eines Ratsherrn.«
    Taleke hörte kaum hin, während sie ins Schwärmen geriet. »Mit etwas Glück könnten wir ein tragbares Öfchen von einem Pastetenbäcker erwerben, so dass ich die einzelnen Portionen direkt vor dem ›Collège de Dace‹ und dem ›de Lubicensis‹ erwärmen kann. Die saftigen, fetttriefenden Keulen sollen den Studenten direkt in den Mund springen.« Sie lachte ausgelassen und warf die Arme in die Höhe.
    »Woher weißt du denn, dass die Kollegien so heißen?«
    »Du hast sie selber so genannt.«
    »Das Lübsche nicht, nein!«
    »Ach, ich weiß nicht mehr, Nicolaus, dann habe ich das eben irgendwo aufgeschnappt, es ist ja völlig gleichgültig«, meinte Taleke.
    Nicolaus’ Miene zeugte davon, dass es ihn nicht gleichgültig ließ, aber er sagte nichts mehr.
    Jedoch nahm Taleke sich aus Vorsicht zurück. »Vielleicht könnte ich mich mit einem der vielen Bäcker zusammentun … Stell dir vor, ich liefere das Gänsefleisch und er die Brotfladen zum Drunterlegen und zum Auftunken des Fetts. Was sagst du dazu, Nicolaus?«
    »Nichts, außer, dass der Hausbesitzer nicht gestatten wird, eine lärmende Gänseherde zu halten, die seinen Garten vollscheißt.«
    »Ach, ich glaube, wenn er vor Weihnachten als Deputat eine fette Gans erhält, wird er schon einsehen, dass sein verwahrlostes Ufergrundstück zusätzlichen Gewinn abwerfen kann.«
    »Du wirst mir unheimlich, Taleke. Das alles wusstest du in Lübeck doch noch nicht. Oder hast du mich hinters Licht geführt? War dein Vater Kaufmann?«
    »Ich habe dich nicht hinters Licht geführt, Nicolaus, bestimmt nicht«, beteuerte Taleke. »Die Ideen fliegen mir einfach so zu. Willst du denn gar nicht, dass ich zu unserem Lebensunterhalt beitrage?«
    »Doch, doch«, murmelte Nicolaus und stieß den Hocker hinter sich um. Taleke hörte ihn die Stiege hinunterspringen, dann schlug die Haustür zu.
    Er ließ sie ratlos zurück. Warum war er jetzt wütend? Sie hatte inzwischen, ohne dass er sich erklärt hatte, verstanden, dass er von ihr lediglich die Führung seines Haushalts wünschte. Aber warum sollte sie es nicht ausnutzen, dass sie in dieser toleranten Stadt Geld verdienen konnte?
     
    Taleke war fest entschlossen, eine Garküche zu eröffnen, eine mehr in dieser Stadt, in der sich jedermann im Stehen zu ernähren schien. Ihre neue Tätigkeit würde allerdings erst einmal Nicolaus’ Geld kosten, bis die ersten Gänse nach etwa vier Monaten schlachtreif waren. Sie band sich ihr Kopftuch um und verließ das Haus.
    An den Fleischbänken würde ihr bestimmt jemand sagen können, wer lebende Gössel verkaufte. Sie benötigte einen Ganter und fünf Gänse, alle mussten im zweiten Lebensjahr sein. So würde sie schnellstmöglich erste eigene Jungtiere erhalten, die an ihre Hand gewöhnt waren und immer zurückkämen. Die alten konnte sie dann noch vor Weihnachten schlachten. Dies war ein Gewerbe, das man mit Umsicht aufbauen musste, schnellen Erfolg gab es nicht.
    Die Schlachthallen befanden sich am Grand Pont, und bisher hatten sie wegen des Gestanks einen Bogen um sie gemacht. Jetzt aber musste Taleke auf der Suche nach dem Haus des »Guerri le Changeur«, in dem sich die meisten Fleischbänke befanden, mitten hindurch. Sie sprang über unzählige offene Rinnen, in denen Blut und Unrat zur Seine hinunterflossen, bevor sie das Haus fand.
    Glücklicherweise war der Schlachter, den sie mit französischen Brocken, Händen, Füßen und unter täuschendem Gänseschnattern ansprach, freundlich und gesprächig. Willig erzählte er ihr, wer in der Nähe von Paris Gänse aufzog und verkaufte. Nicht weit seineabwärts hinter der Festung des Louvre, zwischen Ziegelbrennereien und Müllhalden, gebe es einen alten, verfallenden Bauernhof, dessen Besitzer sich weigere, wegzuziehen. Aber nicht mehr lange, dann sitze er auf der Straße, weil dort Gärten für den König angelegt werden sollten.
     
    Nachdem Taleke das dunkle, feuchte Stadttor von Saint-Honoré passiert und den trutzigen Turm von Paris mit seinem Kranz von kleineren Türmen hinter sich gelassen hatte, geriet sie in ein verwahrlostes, schuttbeladenes und ödes Gelände. Hier stöberten wilde Hunde im Abfall, und in einiger Entfernung sah sie Männer, die das Gleiche taten. Gottlob waren alle zu beschäftigt, um sie zu bemerken. Nachdem sie einen auf dem Bauch liegenden, verbluteten Toten rasch umgangen hatte, war sie dankbar, am Fluss ein kleines Häuschen mit Strohdach und ungefügen Wänden aus

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