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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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in Frankreich anders?«
    »Nein, nein. Aber der Verdacht wiegt schwer.«
    »Welcher Verdacht?«
    Nicolaus verzog das Gesicht. »Es soll um Sodomie unter den Brüdern gehen.«
    »Was ist das?«
    »Unerlaubte Handlungen …«
    Taleke traute nicht nachzufragen, was er damit meinte. Noch war ihr Verhältnis zu zerbrechlich, vor allem geprägt von Nicolaus’ Wunsch nach einem unbeschwerten Leben. »Aber das kann dich doch alles nicht berühren«, wandte sie zaghaft ein.
    »Sie tun mir leid, weil ich sie bewundere«, beendete Nicolaus das Gespräch und knallte den dritten geleerten Becher vor sich auf den Dielenboden.
    Mitleid erklärte Nicolaus’ Aufregung nicht. Dahinter steckte etwas, das ihm wirklich naheging.
    »Was machen deine Enten?«
    »Gänse«, berichtigte Taleke leise.
    »Dann eben Gänse.«
    »Sie legen Eier.«
    »Na gut. Übrigens war ich heute bei einem Magister der Medizin, um mich vorzustellen.«
    Endlich, dachte Taleke erleichtert. »Was hat der ehrenwerte Magister gesagt? Erzähle!«
    »Sie können mich als Scholar nicht annehmen.«
    »Wie: nicht annehmen?«
    »Die Medizin ist christliches Heilswerk, hat er gesagt. Vor dem Beginn des Studiums der Medizin muss ich die niedere Weihe als Kleriker erwerben. Zwei Jahre, dann darf ich mit Tonsur, in Soutane und mit der Verpflichtung zum Zölibat das Studium beginnen.«
    Taleke schnappte nach Luft. »Nicht möglich!«
    »Doch.«
    »Und das wusstest du in Lübeck nicht?«
    Nicolaus schüttelte mit bitterer Miene den Kopf. »Nein. Es hieß immer, das sei eine formale Vorschrift aus uralten Zeiten. Nichts, um das man sich heutzutage scheren müsste.«
    Alles vergebens. Die lange Wanderung. Das aufgebrachte Geld. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Deshalb Nicolaus’ Aufregung. Auch Taleke bekam weiche Knie.
    »Aber verdammt noch mal, das werde ich nicht tun!«, rief Nicolaus nach geraumer Zeit und hieb mit der Faust auf den Boden, dass die Dielen bebten. »Dieser Uraltgnom hat darauf bestanden, dass ich auf Latein antworte, wozu ich überhaupt keine Lust hatte. Der ist ein Überbleibsel aus der Gründungszeit der Universität! Warum hat den noch niemand in ein Grab geschaufelt?« Er beugte den Kopf, schlug fromm das Kreuz und faltete die Hände. »Und dort sei der Herr für alle Zeiten mit ihm.«
    Taleke verbiss sich über sein frömmelndes Gehabe das Lachen, dabei war die Auskunft, die er erhalten hatte, ernst. Sie würde sein ganzes Leben umstürzen. »Und die Jurisprudenz?«, erinnerte sie ihn.
    »In deren Fakultät sitzt höchstwahrscheinlich der Zwilling dieses Gnoms. Ein Uraltgnomzwilling. Zwecklos.«
    Taleke murrte unzufrieden. Er hatte offenbar aufgegeben. Sie hätte es an seiner Stelle ohne Kampf nicht getan. »Und was nun?«
    »Ich weiß nicht.« Nicolaus zuckte die Schultern. »Ich werde mich mal mit meinen Freunden beraten, zwei Scholaren und andere. Die haben alle ihre Erfahrungen. Es eilt nicht.« Er streckte sich aus, legte die Arme unter den Kopf und starrte träumerisch ins Dachgebälk.
    Taleke hätte ihn schütteln mögen. Was immer er unternahm, um endlich einen Anfang zu finden: Ihr ging es zu langsam. Und sein Vater würde sicher auch irgendwann die Geduld verlieren.
     
    Im Erntemonat, dem Aranmanoth, den manche hier auch augst nannten, war Nicolaus immer noch nicht vorangekommen. Er trieb sich offensichtlich vor allem mit seinen Freunden herum, die Taleke noch nie gesehen hatte. Es machte sie ganz kribbelig.
    Im Augenblick sorgte sie sich um ihn allerdings weniger, denn die Gänse nahmen sie ganz in Anspruch. Die Abmachung mit dem Wirt hatte Taleke zu ihrer höchsten Zufriedenheit ganz allein zustande gebracht.
    Inzwischen führte jede Altgans sechs Junge, was dreißig Gössel machte. Drei der Altgänse wollte sie verkaufen, dazu zwanzig junge Tiere, alle anderen würde sie für die Weiterzucht behalten. Die jungen Gänse waren bereits halb so groß wie die Alttiere.
    Ab dem Weinlesemonat müssten die Gänse mit dem Garten vorliebnehmen, um sich dort mit Futter aus Hafer und Rüben dick und rund zu fressen, was schöne helle Lebern machen sollte. Taleke erhoffte sich von den anspruchsvollen Franzosen einen hübschen Gewinn. Nach dem Öfchen für die Braterei suchte sie allerdings noch.
    Auch das Mastfutter musste sie auf dem Markt kaufen, und das würde nicht billig sein. Eines Abends, als Nicolaus unerwartet früh zurückkehrte, saß Taleke am Rechentuch und schob die Zählmarken hin und her, um die benötigte Summe bis zum

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