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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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einmal kosten sollen. Aber jetzt war sie satt.
    Ohne jedes schlechte Gewissen fand Taleke, dass es sich in Paris hervorragend leben ließ. So ganz vage ahnte sie nun auch, wovor der Gänsezüchter sie gewarnt haben könnte: In der Umgebung des Schlachthofs hießen die Straßen
aux Boeufs,
zu den Rindern,
aux Veaux,
zu den Kälbern,
de l’Écorcherie,
Abdeckerei,
de la Tuerie,
Tötung und ähnlich. Aber es gab keine
de la Volaille,
weil das Geflügel eben hier auf dem Eiermarkt geschlachtet wurde. Schön anzuhören und anzusehen war er nicht, aber eine Gefahr ging vom Eierhafen bestimmt nicht aus.
     
    Taleke hatte sich inzwischen gut eingerichtet. Das Feuerchen, das sie während Nicolaus’ Krankheit im Garten angezündet hatte, um den Wein zu erhitzen, hatte sie durch einen niedrigen Herd aus Feldsteinen ersetzt. Während ihre sechs Gänse leise schnatternd durch die Erde pflügten, auf der kaum mehr Gras wuchs, vom Treidelpfad getrennt durch eine dichte Reihe von senkrecht in die Erde gesteckten Ästen und Reisig, bereitete Taleke an manchen Tagen auf dem Herd Suppe oder Brei zu, was wesentlich billiger war als das Essen aus den Garküchen. Angeschwemmtes Holz fand sich reichlich am Seineufer, an dem sie die Herde entlangtrieb, wenn sie gräsen sollte.
    Nicolaus verweigerte die einfachen Mahlzeiten allerdings häufig, weil er bereits unterwegs gegessen hatte. Sie war ihm darum nicht böse. Schließlich musste er sich für das bevorstehende Studium bei Kräften halten.
    Eines heißen Sommerabends kam Nicolaus aufgebracht zurück. Taleke hörte sein Keuchen schon auf der Stiege, bevor er ins Zimmerchen brauste.
    »Setz dich, setz dich bloß hin, Nicolaus«, sagte Taleke mitleidig, »ich habe deinen Lieblingswein gekühlt. Warte, im Nu steht der Becher vor dir. Und dann erzählst du mir, was los ist. Wenn du magst.«
    »Ja. Ich weiß nicht.« Nicolaus leerte den Becher, dann lehnte er den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. In seinen Halsadern floss das Blut so stoßartig, als triebe ein Blasebalg es an.
    So aufgeregt hatte Taleke ihn noch nie gesehen. Seine Studienpläne mussten schiefgegangen sein!
    »Hast du schon einmal von den Tempelrittern gehört, Taleke?«, fragte Nicolaus, ohne die Augen zu öffnen.
    »Tempelritter?«, wiederholte sie zaghaft. »Ja, aber wenig.«
    »Es ist der einzige Orden, der Adel mit Rittertum und mönchischer Askese verbindet …«
    »Ja, und?«, fragte Taleke verständnislos. Was hatten die mit Nicolaus’ Studium zu schaffen?
    »Begreifst du denn nicht! Diese Männer verbindet hohe Gesinnung mit Tapferkeit und persönlicher Bescheidenheit. Sie eifern einem Ideal nach, das in der Bevölkerung längst verloren gegangen ist.«
    »Und weiter? Was hat das mit dir zu tun? Du bist weder Ritter noch Mönch.«
    »Aber fast von Adel. Mein Vater hat immerhin Besitztum in der Ritterstraße von Lübeck. Ich fühle mit den Templern. Mein Geist reitet mit, wenn sie in Outremer kämpfen.«
    Hatte sich dieser Geist womöglich verirrt? Taleke betrachtete Nicolaus skeptisch, konnte aber keine Veränderung gegenüber sonst erkennen. Er hatte auch keinen erkennbaren Rückfall in die Krankheit. »Willst du dem Orden beitreten, statt Medicus zu werden?«
    »Unsinn«, blaffte Nicolaus. »Ich will studieren. Aber um den Orden bin ich besorgt.« Er leerte den zweiten Becher Wein in einem Zug.
    »Du hast doch mit ihm nichts zu schaffen …« Taleke verstummte. All dieses Gerede hatte einen falschen Unterton. Sie glaubte ihm nicht. Er wollte sie verlassen und ritterlicher Mönch werden. Vielleicht gab es sogar Medici in diesen Orden.
    »Es gehen ungeheure Gerüchte«, sagte Nicolaus dumpf. »Angeblich will der König die Ritter verhaften lassen, obwohl sie ihre eigene kirchliche Gerichtsbarkeit haben. Sie leben außerhalb von Paris auf einem Gelände, das sie selbst urbar gemacht haben, es war vorher reiner Sumpf. Der Bezirk ist von einer hohen Mauer umgeben. Eigentlich haben sie mit dem König nichts zu schaffen.«
    »Warum sollen sie dann verhaftet werden?«
    »Ich vermute, der König neidet ihnen ihr Gebiet. Oder ihre erfolgreichen Handelsgeschäfte. Man sieht überall die königlichen Maréchaux herumschnüffeln, auf der Suche nach etwas Verwerflichem. Freunde haben mich auf die Kerle aufmerksam gemacht. Wenn man es erst einmal weiß, erkennt man sie …« Nicolaus seufzte.
    »Soviel ich weiß, muss die Obrigkeit denjenigen, die sie verhaften lassen will, unter eine Anklage stellen. Oder ist dies

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