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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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führen, da wäre sie ja den ganzen Tag mit Füttern beschäftigt.
    Der Ausweg bestand darin, nur mit Hafer zu mästen, auch wenn das noch teurer werden würde als veranschlagt. Es war ein Rückschlag, den Taleke Nicolaus lieber erst später beichten wollte.
    Denn immerhin war er auf gutem Weg zum Chirurgen, wie er selbst fand. Mittlerweile hatte er selbständig zur Ader gelassen, Schnitte in der Haut vernäht und einen gebrochenen Finger gerichtet. Verbände an offenen Beinen musste er alle Tage anlegen, berichtete er mit kaum verhohlenem Hochmut Taleke gegenüber. Nur allein durfte er sich der Kranken noch nicht annehmen.
    Die Ausbildung sei sehr gründlich und sorgfältig, erklärte er Taleke auf die Frage, warum er noch nicht mehr machen dürfe. Dabei hatte Talekes Mutter, außer dem Aderlass, dieses alles zur Zufriedenheit der Behandelten auch ohne jegliche Unterweisung durchgeführt. Aber Taleke hütete sich davor, Zweifel an Nicolaus’ Lernerfolg aufkommen zu lassen. Zumal Nicolaus seinen Lehrherrn als alten Griesgram und Narrenesel bezeichnete. Hätte sie ihm beigepflichtet, hätte er am Ende doch noch seinen Vertrag gebrochen. Er war sehr dünnhäutig, Zweifel an seiner Person machten ihn rasend.
    Taleke hockte im Garten auf einem Schemel, eine Gans im Schoß, als sie hörte, dass Nicolaus die Stiege hochrannte, um gleich wieder herunterzustürzen. Dann erschien er im Garten, völlig aufgelöst, sein Talar, den sie ihm täglich so sorgfältig ausbürstete, hatte einen langen Riss an der Seite.
    »Heiliger Georg, was ist mit dir passiert?«, rief Taleke entsetzt.
    »Man sucht …«, stammelte Nicolaus, »… in der ganzen Stadt …«
    »Nach dir?«
    »Nein, nein!« Nicolaus wischte sich fahrig den Schweiß von der Stirn und sackte an der Hausmauer zusammen. »Ich habe damit nichts zu tun, jedenfalls …«
    »Was also ist los?«, fragte Taleke gefasst.
    »Die Tempelritter Frankreichs werden jetzt tatsächlich verhaftet. Alle Brüder zur selben Zeit! Und Gerüchte gehen um, dass sie auch in England, in Portugal und in Aragón gefangen genommen wurden.«
    Taleke schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, was dich daran aufregt, da du weder Templer bist noch einer werden willst.«
    »Das stimmt. Aber es geht dich auch nichts an«, rief Nicolaus und trommelte derart ungestüm mit den Fäusten auf die trockene, rissige Erde vor seinen Knien, dass sich die Gänse in seiner Nähe kreischend in Sicherheit brachten.
    »Pass bitte auf!« Taleke beschwichtigte ihre Tiere mit Lockgeräuschen und Händen voll Haferbrei, und allmählich beruhigte sich die Schar. Die Gänse waren weit weniger närrisch als Nicolaus.
    »Ich bin krank«, keuchte Nicolaus und warf sich bäuchlings auf den Boden. Dort ruderte er mit den Armen wie die Priester, die in der Kirche ihr Gelübde ablegen.
    Taleke sah ihm verständnislos zu. Warum behauptete er, krank zu sein, während die Tempelritter verhaftet wurden?
    »Morgen bin ich krank«, wiederholte Nicolaus. »Du gehst zum Maître Faselkönig und entschuldigst mich.«
    Ein eiskalter Wind schien durch den Garten zu fegen. Die Tempelritter interessierten Taleke nicht. Ihre Sorge war, dass Nicolaus sie zum Vorwand nahm, die Lehre aufzugeben. »Ja, ja«, rief sie, ohne sich darum zu scheren, welche Krankheit sie denn angeben sollte. »Beruhige dich, ich mach’s ja.«
     
    Der Maréchal Nouel war außer sich vor Wut. Ungeduldig hin und her trippelnd wartete er auf Pépin, mit dem zusammen er den Dienst rechts der Seine versah. Sie beide waren untergeordnete Männer des Connétable Gaucher V. de Châtillon, Graf von Porcéan, der in einer Person die Truppen und die Polizei befehligte.
    Zu melden hatten sie sich jeden Morgen vor Dienstantritt im obersten Hofgericht, an diesem Morgen, an dem das
Parlement
tagen sollte, im königlichen Palast auf der Ile de la Cité. Nouel hatte dies zwar bereits hinter sich gebracht, war aber jetzt, nachdem er Einzelheiten zu den Verhaftungen der Templer erfahren hatte, noch beunruhigter als vorher.
    Endlich sah er Pépin kommen. Der war außerordentlich verlässlich, wenn es um die Ausführung von Befehlen ging, besaß jedoch keinen Funken Selbständigkeit. Kräftig wie ein Bulle, aber langsamer als eine Weinbergschnecke, hallten seine Schritte auf der gepflasterten Straße zwischen den hohen Gebäuden wider.
    Pépin machte Nouel, der klein, wendig und spitznasig war und ein flinkes Gehirn hatte, zuweilen rasend, so auch jetzt. Sie beide arbeiteten schon

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