Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
Vom Netzwerk:
erledigt. Taleke staunte über die riesigen, goldgelben Lebern, wie sie sie an den Gänsen zu Hause nie gesehen hatte. Salz und Beifuß waren erschwinglich gewesen, ebenso Rosinen. Auf den Pfeffer hatte sie aus Kostengründen verzichten müssen, und die Äpfel hatte sie von Bäumen am Wegesrand außerhalb der Stadtmauer gepflückt. Gestohlen, um die Wahrheit zu sagen. Aber sie hatte sich immer vorgesehen, dass niemand in der Nähe war.
    Zu ihrem Kummer musste sie jedoch Holzkohle kaufen, denn das Schwemmholz reichte für die tägliche Rösterei nicht aus.
    Trotzdem ging sie guten Mutes daran, ihre erste Gans am Spieß zu braten. Zu ihrem Schrecken war das Tier nicht einmal zur Sext gar. Erst zur Non konnte sie sich mit der gebratenen Gans in den Stadtteil der Scholaren aufmachen.
    Wenigstens dort hatte sie Glück. Die Dänen kehrten gerade in Gruppen vom Unterricht in ihr Haus zurück. Taleke setzte ihre Kiepe ab, lupfte das Handtuch, das auf den Holzbrettern mit dem Fleisch lag, und erntete sofort Jubelschreie bei einigen jungen Männern, was wiederum andere Neugierige anlockte.
    Talekes Preise waren gestaffelt. Am teuersten war eine ganze Keule, die zweite Keule hatte sie für weniger Hungrige in zwei Portionen zerteilt. Brust, Rücken und Flügel, die etwas preiswerter waren, gingen ebenfalls schnell weg. Schließlich gab es noch den Hals, der hauptsächlich aus Knochen bestand, und die mit Fett getränkte Füllung, die sie auf Brotscheiben servierte. Leber, Herz und Nieren kaufte ein zufällig vorbeikommender Franzose, der sich die Lippen leckte, als er die Innereien sah.
     
    Zu Hause in ihrem Zimmer setzte Taleke sich voller Stolz an Nicolaus’ Rechentuch. Erstmals hatte sie Geld verdient und zu ihrem gemeinsamen Unterhalt beigetragen. Nicolaus, der inzwischen auch wieder Geld von seinem Vater erhalten hatte, sollte sich über sie nicht beschweren müssen. Jetzt würde sie sich neu einkleiden.
    Die Ernüchterung kam wenig später.
    Die Kosten für die Haltung ihrer Mastgänse waren eindeutig zu hoch und hielten keinem Vergleich stand mit einer Herde, die nicht gemästet wurde und im Gutshof auf eigenem Land weidete. Taleke dagegen musste die Nutzung des Gartens bezahlen, den Hafer, die Holzkohle und die Gewürze. Hinzu kamen der Spieß, die Kiepe und der alte tragbare Ofen eines Pastetenbäckers, der sich zur Ruhe gesetzt hatte.
    Der Ertrag deckte gerade einmal das, was sie an Futter und Holz aufgewendet hatte. Das war nun wirklich kein lohnendes Geschäft. Sie hätte stattdessen lernen sollen. Ihr hätte es mehr Freude gemacht, und der Schaden an Nicolaus’ Geldkatze wäre kaum größer gewesen.
    Diese Entdeckung erbitterte sie zutiefst. Sie hatte versagt, und das empfand sie als so erniedrigend, dass sie beschloss, Nicolaus nichts davon zu sagen. Ohnehin mussten jetzt die restlichen Gänse erst einmal ihrem Bestimmungszweck zugeführt werden. Aber zuallererst würde sie sich von dem gerade eingenommenen Geld bei einem Gewandschneider Kleidung besorgen, wie Nicolaus von ihr verlangt hatte. Ihr bäuerliches Hemd und der ungefärbte, langärmelige Kittel darüber taugten auf Dauer nicht für Paris.
     
    Am vierten Tag ihrer geschäftlichen Tätigkeit strebte der fröhliche Däne, der Anlass zu der Auseinandersetzung zwischen Nicolaus und ihr vor dem Scholarenhaus gewesen war, an Talekes Stand. Sie erwärmte gerade die schon gegarten Schenkel auf dem tragbaren Öfchen, als er auftauchte. Sie freute sich, dass die Nachricht von ihrer Garküche sich offensichtlich herumgesprochen hatte.
    Er bedachte ihre neue Kleidung in leuchtenden Farben, wenn auch mit dem bescheidenen geflochtenen Gürtel, mit einem anerkennenden Blick, schnupperte über die Schalen hinweg, stellte wohl fest, dass die lobenden Gerüchte zutrafen, und winkte seine Freunde herbei, die begeistert zugriffen und großzügig zahlten. Nach wenigen Augenblicken war die Gans unter ihnen aufgeteilt. Selbst das Gänseschmalz fand seinen Liebhaber.
    Der junge Mann hieß Knud, studierte Jura und stammte aus Tondern, einer nach Lübecker Vorbild aufstrebenden Kaufmannsstadt, in der Deutsche und Dänen zusammenlebten. Die meisten anderen waren Artisten, also Scholaren der freien Künste.
    Die Dänen waren laut und gesellig. Ihre Scherze, die zu schnell über Talekes Kopf hinwegflogen, als dass sie sie alle hätte verstehen können, heizten die Stimmung an. Von irgendwo aus der Nachbarschaft wurde ein kleines Fässchen Bier herbeigeschafft. Plötzlich

Weitere Kostenlose Bücher