Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
Vom Netzwerk:
tüchtig, dass du so schnell mit dem Wasser zurück bist.«
    Das Lob tröstete Iseulte ein wenig. »Ich darf manchmal aus dem Brunnen des großen Hauses gegenüber holen, da bin ich noch schneller. Der Hausherr erlaubt es, wenn ich sehr lieb zu ihm bin.«
    »Dann mach nun das Wasser heiß, Iseulte.«
    »Was heißt das, sehr lieb zum Hausherrn sein?«, flüsterte Taleke.
    »Nun, das Übliche. Seine vornehme Ehefrau ist häufig unpässlich, und Iseulte hilft ihm, den Druck loszuwerden«, meinte Cateline lakonisch, tröpfelte sich Olivenöl über die ganze Hand, verstrich es und führte dann die Rechte in den Geburtsweg ein. »Du musst den Eingang dehnen«, erläuterte sie Taleke, um ihre Bewegungen gleich darauf einzustellen und abzuwarten. »Die Krämpfe der Gebärenden lähmen einem leicht die Hand, Taleke. Man muss es wissen, um nicht zu erschrecken. Es gibt keinen Satan, der der Hebamme die Hand abbeißt.«
    Taleke nickte.
    »Wenn die Lähmung aufhört, sollst du unverdrossen weitermachen. Finger spreizen, weiter vordringen, abwarten, wieder hineinstoßen, bis die ganze Hand drin ist. Zwischendurch die Hand mit Öl benetzen.«
    Irgendwann zog Cateline die Hand zurück und trocknete sie mit grimmigem Ernst ab. Sie schüttelte resigniert den Kopf.
    »Nichts?«
    »Nichts«, bestätigte Cateline.
    »Meine Mutter hat von der Küchenschelle erzählt, die besonders bei hellhäutigen und blonden Frauen die Wehen anregt«, flüsterte Taleke mit vorsichtiger Zurückhaltung. Woher sollte sie wissen, ob ihre Mutter überhaupt recht gehabt hatte? Jedoch schien Cateline ratlos zu sein, und gelegentlich konnte sogar eine Unkundige eine kleine Hilfe darstellen.
    »Küchenschelle? Ein austreibendes Mittel wie Petersilie? Nicht mit mir! Ich arbeite nicht in der Petersiliengasse!« Cateline hob Taleke abwehrend beide Hände entgegen und trat einen Schritt zurück. »Bist du so eine?«
    Sie meinte Mittel zum Abtöten der Frucht. »Nein, nein, das macht die Kuhschelle nicht!«, rief Taleke gedämpft. Die versuchsweise Übersetzung in die Landessprache machte natürlich keinen Sinn. Sie schwenkte die Hand, als ob sie eine Glocke betätige. »Ding dong, ding dong …«
    »Pulsatille?«, fragte Cateline mit plötzlichem Verständnis.
    Das stimmte, Taleke hatte es irgendwo gelesen, ohne sich den Zusammenhang zu merken. »Pulsatilla«, bestätigte sie heftig nickend.
    Cateline zögerte. »Ich weiß, dass manche Frauen sie verwenden. Ich habe es nie gewagt, denn sie soll giftig sein. Aber gehört habe ich davon, auch dass man die Abkochung von Blättern und Blüten unendlich oft verdünnen muss. Deine Mutter hat sie angewendet?«
    »Nur davon erzählt. Mutter ist weder Hebamme noch Engelmacherin.«
    Trotz der späten Stunde wusste Cateline anscheinend, wo sie das Kraut beziehen konnte. Ote wurde instruiert und sofort losgeschickt.
     
    Es dauerte überraschend kurz, bis Ote wieder da war. Noch überraschender war, dass er die Pflanzen mit den bereits getrockneten grauen und violetten Blüten Taleke in die Hand drückte, worauf er schnaufend auf den gestampften Erdboden der Hütte sank.
    »Du hast Otes Herz gewonnen«, stellte Cateline nebenbei fest, während sie zusammen den Sud für die Gebärende vorbereiteten. »Das gelingt kaum jemandem. Wie ist das denn gekommen?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Taleke und blinzelte dem Jungen zu. »Er ist eben ein lieber Junge.«
    Cateline verdünnte einen Teil des Suds erheblich und flößte ihn der Frau tropfenweise ein. Taleke fand nach einiger Zeit, es tue sich nichts. Die Verdünnung war zu groß. »Geduld«, sagte Cateline. »Nur Geduld. Bei Geburten ist Geduld das Wichtigste.«
    Dann gab die Frau ein Keuchen von sich.
    Cateline nickte Taleke zu, worauf sie den ihr zugewiesenen Platz einnahm, wie sie es vorher besprochen hatten. Ein Teil der Nacht verging, während das Kind sich drehte und mit Hilfe der behutsamen Handgriffe von Cateline in die günstigste Position gebracht wurde.
    Und endlich wurde der Junge geboren.
    Als Iseulte ihn betrachtet und von Cateline die Zusicherung erhalten hatte, dass er gesund war, war ihre Niedergeschlagenheit wie weggeblasen. Sie tanzte durch den Raum und war sich ganz sicher, die Mutter allein umsorgen zu können. Überdies wollte Cateline bei Tage ja vorbeischauen.
    Müde, aber erleichtert, verabschiedeten sich die Frauen.
     
    Als Taleke nach Hause kam, schnarchte Nicolaus durchdringend, wofür sie dankbar war, denn so würde er sie nicht mitten in der

Weitere Kostenlose Bücher