Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)
Schwingbetts ihres Vaters und zogen mit einem metallischen Klirren ihre Krummsäbel. Einen furchtbaren Moment lang dachte sie, sie würden ihn hier und jetzt hinrichten, doch dann durchtrennten die vier säuberlich die Seile und trugen das Bett wie eine Sänfte zur Tür.
Feyra sprach sich selbst Mut zu: Es waren loyale Männer, die sich an den auf einem Schiff geltenden Kodex halten würden. Timurhan war trotz seiner momentanen Hilflosigkeit immer noch ihr Kapitän. Ihr Häscher zog sie mit sich und folgte der Prozession. »Wo bringt ihr meinen Vater hin?«, fragte sie, aber der Schwarzmaskierte gab keine Antwort.
Sowie sie an Land war, konnte sie ihre Position erkennen. Sie befanden sich auf der Leeseite der Landmasse, geschützt vor dem Wind, der die Meerseite peitschte, und das Schiff lag jetzt zum Teil hinter einer riesigen Steinruine verborgen. Hier gab es eine von Bogenfenstern durchsetzte Mauer und dahinter ein Gewirr niedrigerer Mauern mit einem Brunnen in der Mitte. Die einzigen Bewohner der Gemäuer waren die Dohlen und Falken, die im Dachgesims kreischten. Über dem Querbalken prangten verblasste Buchstaben, die nur Feyra zu entziffern vermochte.
Santa Croce.
Ein verwittertes Steinkreuz erhob sich auf der verfallenen Mauer. Beim Anblick dieses Symbols drängten sich die Männer enger zusammen.
Feyra rückte näher an die schwarz gewandete Gruppe auf dem verlassenen hölzernen Pier heran.
»Es war eine Stätte ihres Propheten, ihres Christus«, sagte einer.
»Wir dürfen sie nicht betreten, sie ist unrein«, stimmte ein anderer zu.
»Unser Sultan muss einen Fehler gemacht haben. Dies hier ist kein sicheres Haus für uns.«
»Unser Sultan, das Licht meiner Augen und die Freude meines Herzens, macht keine Fehler.« Eine klare, weithin vernehmliche Stimme.
»Sieh dich doch um. Außer den Vögeln, die alles vollscheißen, lebt hier niemand. Ihr Gott ist schon lange nicht mehr da.«
»Hier können wir nicht bleiben.«
»Nein, aber diese Ruine bietet uns zumindest Schutz, während wir uns beraten.«
Feyra folgte ihnen, als sie ihren Vater hineintrugen, und sie erlaubten ihr, es ihm so bequem wie möglich zu machen. Er konnte sich glücklich schätzen, in seinem Bett zu liegen, denn die dicke Matratze wurde von den hölzernen Seitenteilen an ihrem Platz gehalten, und Feyra bezweifelte, dass er überhaupt gemerkt hatte, wie man ihn forttrug. Sie riss einen Streifen von seinem Laken und ging zu dem Brunnen in der Mitte des alten Hofes, wobei sie Mühe hatte, nicht über die überall verstreuten Steine zu stolpern, die die Wurzeln und Gräser, die sie überwucherten, im Laufe der Jahre aus der Erde gehoben hatten.
Trotz des sintflutartigen Regens, der gerade eben erst nachgelassen hatte, war der Wasserstand des Brunnens so tief, dass sie kaum eine silberne Scheibe wolkenverhangenen Himmels erkennen konnte. Es gab eine alte Winde mit einer rostigen Kette, aber keinen Eimer, also gab sie ihre Idee auf, hier Wasser zu schöpfen. Stattdessen ging sie mit dem Stoffstreifen zum Pier und tauchte ihn in das Meerwasser. Das würde zwar den Durst ihres Vaters nicht stillen, aber sie konnte zumindest seine fieberglühende Haut kühlen.
Als sie durch das Ruinengelände zurückging, wurde sie von den Janitscharen empfangen, die einen Halbkreis bildeten. Mit dem nassen, auf ihre Füße tropfenden Tuch in der Hand blieb sie wie angewurzelt stehen. Plötzlich bekam sie es mit der Angst zu tun.
Sie blickte von einem dunklen Augenpaar zum anderen. Keiner der Männer vermochte ihr ins Gesicht zu sehen. Endlich ergriff einer das Wort. »Kehr um«, sagte er. »Wir gehen an Bord des Schiffs zurück.«
»Aber …« Sie streckte die Hand mit dem immer noch tropfenden Tuch aus, um in die alte Kirche zu deuten. »Mein Vater«, sagte sie, als wären sie alle begriffsstutzig.
»Er bleibt.«
Sie war es, die nichts begriffen hatte. Sie würden ihn hier zurücklassen. Ihr Kapitän war mit einer ansteckenden Seuche behaftet, und sie würden ihn nicht wieder an Bord lassen. »Dann muss ich bei ihm bleiben.«
»Nein. Du kommst mit uns.«
»Genau«, stimmte ein anderer zu. »Wenn der Tod uns holen kommt, möchte ich für meinen Teil die Tage genießen, die mir noch bleiben.« Jetzt sah der erste Mann sie an, sein Blick wanderte gierig über ihr unverschleiertes Gesicht und ihren Körper, an dem ihre immer noch feuchten Kleider klebten.
Also sollte sie diesen Männern auf dem gesamten Rückweg nach Konstantinopel als Spielzeug
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