Die Heilerin
an und legte das Umschlagtuch um ihre Schultern.
»Wohin gehst du, Moedertje?«, fragte Margaretha verblüfft, denn an diesem Morgen wollten sie Wäsche waschen.
»Ich muss etwas erledigen«, sagte Gretje leise. Sie hatte Dirck gebeten, ihr einen kleinen Hund zu schnitzen, und diesen legte sie nun in den Korb.
»Für wen ist das Spielzeug? Willst du eine Familie besuchen?«
»Nein, Meisje. Ich will auf den Friedhof vor die Stadt zu Evas Grab.«
Margaretha schaute sie betroffen an. Zwei Jahre war es jetzt her, seit ihre Schwester gestorben war. Zu Anfang hatten sie noch oft von Eva gesprochen, doch das hatte nachgelassen.
»Ich denke jeden Tag an sie und schließe sie in meine Gebete ein«, sagte Gretje leise. »Und nun will ich ihr ein neues Spielzeug bringen.«
»Ich komme mit.« Margaretha griff nach ihrem Mantel.
»Du?«
»Ja.« Margaretha schluckte hart. Der Gedanke, vor die Tür zu gehen, behagte ihr nicht. Aber sie schämte sich, weil sie Eva vergessen hatte.
»Nun gut. Rebecca kann schon mal Wasser und Lauge aufsetzen. Allzu lange werden wir nicht unterwegs sein.«
Jonkie folgte den beiden Frauen, hielt sich dicht an Margarethas Seite. Den Kopf hatte sie aufmerksam gehoben. Schweigend gingen sie bis zum Stadttor. Plötzlich lachte Gretje leise auf.
»Ich muss an Eva denken. Wie drollig sie manchmal war. Weißt du noch, als sie das erste Mal eine Kuh gesehen hat?«
»Ja.« Auch Margaretha lächelte nun. »Sie wollte gar nicht mehr aus dem Stall raus. Und wie stolz sie war, als sie die Schweine alleine füttern durfte. Sie hat oft noch einen Kanten frisches Brot mitgenommen.«
»Ja, sie dachte, ich sehe es nicht. Aber natürlich habe ich es bemerkt.«
»Und das eine Mal, als eine Henne in der dunklen Stallecke ein Gelege gebaut und die Eier ausgebrütet hat – sie wollte die Küken am liebsten mit in ihr Bett nehmen.«
»Sie war so schnell zu begeistern, so fröhlich«, sagte Gretje. »Sie war ein Geschenk des Himmels.«
»Sie ist immer noch bei uns.«
»Aber nur, solange wir sie nicht vergessen.«
»Moedertje, auch wenn wir nicht mehr so oft über sie sprechen und von ihr erzählen, ganz vergessen wird sie wohl keiner der Familie.«
»Das will ich hoffen, denn nun kommt ein neues Kind, das von Hermann und Esther. Ich freue mich darauf, ich freue mich für die beiden. Doch Eva darf darüber nicht vergessen werden. Ich habe Dirck einen Hund schnitzen lassen, damit sie auch eine Jonkie hat, die über sie wacht.«
Margaretha biss die Zähne zusammen, zu bitter waren die Gefühle, die nun in ihr hochstiegen. Sie schluckte hart, räusperte sich, suchte nach Worten und fand keine.
»Ich finde es schön, ja, es freut mich sehr, dass du dich hast überwinden können mitzukommen«, sagte Gretje, die nichts von Margarethas innerem Kampf zu spüren schien. »Es wird Zeit, dass du deine Ängste wieder überwindest und dich wieder auf die Straße traust. Bisher hast du nicht viel über die Nacht erzählt, aber sie hat dir wohl große Angst gemacht.«
»Das hat sie«, sagte Margaretha leise. »Wenn Jonkie nicht gewesen, wer weiß, was dann noch passiert wäre.«
»Jonkie ist ein kluger Hund.«
»Doch auch Jonkie kann nicht viel gegen zwei Männer mit Messer ausrichten.«
»Nein, Meisje, aber abschrecken kann sie. Du wirst natürlich nicht mehr im Dunkeln alleine auf die Straße gehen. Das wird wohl zu gefährlich.«
Margaretha blieb stehen, zog die Luft zischend ein. »Aber du solltest auch nicht mehr alleine auf die Straße gehen. Nie mehr.«
»Warum?« Gretje sah sie verblüfft an.
»Sie haben dich Hexe genannt, mich Tochter der Hexe. Sie haben gesagt, dass du nur die Frauen unseres Glaubens richtig behandelst, Protestanten würdest du vergiften oder verhexen.« Nun sprudelte es aus ihr heraus. »Sie hätten mich ganz sicher … gequält, sie fingen gerade erst an, als sie mir die Haare abgeschnitten haben. Wäre Jonkie nicht gewesen, würde ich vielleicht nun nicht mehr leben. Geschändet hätten sie mich ganz sicher.«
»O Gott, Meisje. Warum hast du das nicht eher gesagt?« Gretje war erschüttert stehen geblieben. »Das ist furchtbar, aber es zeugt nur von dem Geist, der die Stadt beherrscht.«
»Moedertje, hast du keine Angst? In Köln ist erst jüngst eine Frau als Hexe angeklagt worden. Was, wenn sie dich zur Hexe erklären? Dich anklagen und dir den Prozess machen?«
Gretje schüttelte den Kopf. »Die Oranier unterstützen die Inquisition nicht, das ist katholisches Gebaren. Die
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