Die Heilerin
katholische Kirche wird hier genauso nur geduldet wie wir Mennoniten. Es wird in Krefeld niemals eine Anklage wegen Hexerei geben.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?« Margaretha biss sich auf die Lippe.
Gretje holte tief Luft, fasste ihre Tochter am Arm und zog sie mit sich, aus der Stadt hinaus und in Richtung Friedhof. »Das bin ich nicht, aber ich glaube es, will es glauben.«
»Moedertje, die Brüder und auch einige der anderen sind nun Quäker. Sie leben ihren Glauben nochmal anders. Schonunser Glauben wird nicht verstanden, die bewusste Taufe abgelehnt. Und nun gehen einige noch einen Schritt weiter, werden noch anders, noch gläubiger. Das wird nicht gut gehen. Die Menschen hier verstehen es nicht, wollen es auch nicht verstehen. Für sie sind wir vom Teufel und werden es immer mehr.« Margaretha blieb wieder stehen. Das Entsetzen über diese Gedanken, die sie nun das erste Mal aussprach, lähmte sie. »Wir werden hier nicht mehr glücklich leben können«, sagte sie tonlos.
»Unfug, die Gemüter werden sich beruhigen, Meisje. Sie haben uns akzeptiert. Wie wir unseren Glauben nun leben, ob laut und mit Psalmen oder still und andächtig, das wird niemanden stören. Wir taufen bewusst, und erst als Erwachsene lassen wir uns taufen. Aber das war doch schon immer so.«
»Mutter, sie nennen dich eine Hexe!«
»Ja, auch das war schon immer so. Und wenn ihre Frauen in den Wehen liegen oder am Kindbettfieber kranken, kommen sie doch und wollen meine Hilfe.« Grimmig stapfte Gretje weiter durch den Schnee.
»Irgendwann stirbt eine ihrer Frauen, und du wirst dafür mit deinem Leben zahlen«, sagte Margaretha verzagt.
»Das ist möglich. Das Risiko trage ich bewusst.«
»Und ich werde auch mit meinem Leben zahlen müssen. Meine Haare habe ich schon gegeben.« Margaretha flüsterte die Worte nur. Gretje blieb stehen, drehte sich zu ihr um.
»Oh, Hartje, oh, mein Herz, komm her. Du brauchst keine Angst haben.« Sie ging zu ihrer Tochter, nahm sie in die Arme, drückte sie an sich. »Ist es das, was dir Sorge macht?«
Margaretha nickte stumm, biss sich auf die Lippe und schluckte die Tränen herunter.
»Darüber musst du dich nicht sorgen. Dir wird nichts passieren. Mir ist doch bislang auch nichts geschehen, Meisje.«
»Eva haben sie getötet. Sie war deine Tochter. Mich wollten sie schänden.«
Gretje seufzte, drückte Margaretha noch fester an sich. »Ja,ich weiß«, sagte sie schließlich. »Vielleicht sehe ich das anders. Seit Jahren, eigentlich immer schon, warte ich darauf, dass mir etwas passiert, dass mich jemand angreift oder verletzt. Das ist nicht geschehen. Mir würde es nichts machen. Mein Tun ist rechtens, mein Gewissen ist rein und mein Glauben stark. Dass meine Töchter angegriffen, dass das schwächste Glied der Familie, dass Eva getötet wurde, war schlimmer als alles andere. Sie konnte sich nicht wehren. Sie konnte noch nicht einmal in gutem Glauben und für Gott sterben. Und das kannst du auch noch nicht. Es tut mir so leid. Sie treffen mich dadurch viel mehr, als wenn sie mich überfallen würden.«
»Hast du keine Angst vor dem Tod, Moedertje?«
Gretje schwieg einen Moment, dann schob sie ihre Tochter ein Stück weg, die Hände immer noch auf Margarethas Schultern, sah ihr in die Augen. »Hast du Angst vor dem Tod, Meisje?« Sie nickte, seufzte. »Nein, ich habe keine Angst vor dem Tod, mein Kind. Aber ich habe auch gelebt. Ich habe gelebt, geliebt, Kinder bekommen, Leid erfahren, Schmerz und Freude. Mein Leben war bis heute erfüllt. Nicht alles war schön, aber das meiste. Schwer ist manches zu ertragen, aber schön sind die kleinen Dinge. Und ich habe meinen Glauben, der mich trägt. Wenn ich sterbe, dann werde ich irgendwann das Himmelreich sehen. Das Leben ist wundervoll, doch der Tod, sollte er ohne Qual und Schmerzen sein, hat für mich keinen Schrecken. Jesus und Gott werden mich empfangen. Davor habe ich keine Angst, nein. Dein Leben ist noch zu kurz, als dass du meine Empfindungen nachvollziehen kannst. Irgendwann wirst auch du keine Angst mehr vor dem Tod haben.«
Margaretha atmete bewegt tief ein und aus, der Atem wurde zu einer dichten Wolke vor ihrem Gesicht. »Ich habe auch keine Angst vor dem Tod, vor dem Himmelreich und der Erlösung, aber …«
»Du hast Angst vor den Menschen und dem, was sie dir zufügen können. Damit hast du nicht ganz unrecht.« Gretjesah hoch. Der Himmel hatte sich wieder bezogen, die Temperaturen fielen. »Es wird kalt, wir müssen uns
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