Die Heilerin
weiter verschlechtert. Die Reformierten sahen die Verbannung der beiden Quäker als Sieg gegenüber den Täufern. Immer mehr Stimmen wurden laut, auch die anderen Familien aus der Stadt zu hetzen. Der Droste unterstützte diese Gesuche und ahndete Vergehen gegen die Täufer kaum noch.
Hermann und Heinrich verfassten eine Druckschrift in Amsterdam, in der sie sich gegen die Vertreibung wehrten. Diese Druckschrift schickten sie auch zum Droste. Doch auch dies half nicht.
Es wurde Frühjahr. Isaak litt sichtlich unter der Situation, er wurde immer schwächer. Diejenigen, die dem Glauben der Quäker nahestanden, schlossen sich noch enger zusammen. Oft besuchten sich die Familien op den Graeff und Janßen, lasen die Briefe der beiden jungen Männer, die nun regelmäßig eintrafen, vor und versuchten, sich Trost zu spenden. Esther wurde immer dünner und verschlossener. Sie klammerte sich sehr an den kleinen Samuel, ließ ihn kaum aus den Augen und nahm ihn sogar mit in ihr Bett. Fast jeden Abend blieb sie so lange es ging mit ihm im Arm in der Stube sitzen. Nur widerwillig ging sie in das Nebenhaus. Gretje betrachtete das Verhalten ihrer Schwiegertochter voller Sorge.
»Meisje«, sagte sie eines Abends im Mai. »Ich weiß, dass du Hermann vermisst, wir alle tun das. Aber du darfst dich nicht so sehr in deinem Kummer vergraben. Das tut dir nicht gut und Samuel auch nicht.«
»Samuel ist alles, was ich jetzt noch habe. Samuel und ihr …«
»Das ist doch Unfug.« Gretje schüttelte energisch den Kopf. »Das klingt fast so, als wäre Hermann tot. Das ist er aber nicht, er lebt.«
»Ja, in Amsterdam. Weit weg von uns. Wer weiß, ob ich ihn jemals wiedersehe«, schluchzte Esther. »Ich fürchte mich, ich fühle mich so alleine und habe Angst.«
»Wovor hast du Angst, Meisje?«
»Vor dem Alleinsein. Es ist jedes Mal schrecklich für mich, wenn ich die warme Stube verlassen und ins Nebenhaus gehen muss.«
Gretje nickte. »Das habe ich mir fast gedacht.«
»Du kannst meine Kammer haben«, sagte Abraham. »Solange, bis Hermann wiederkommt, und das wird er, das versprecheich dir. Wir haben uns mit einigen einflussreichen Brüdern in Verbindung gesetzt und sie um Unterstützung gebeten. Unsere Bitten werden nicht ungehört verklingen.«
»Würdest du wirklich die Kammer mit mir tauschen?« Esther sah ihn mit tränenverhangenen Augen an.
»Ja, natürlich, Hartje. Ich gehe sofort und packe meine Sachen. Rebecca kann die Kammer ordentlich reinigen, und dann helfen wir dir, deine Sachen herüberzutragen.«
»Mit wem habt ihr euch denn in Verbindung gesetzt?«, fragte Isaak.
»Mit mehreren Leuten in England und Friesland. William Penn haben wir angeschrieben und auch Steven Crisp.«
»Ob es so hohe Herren interessiert, was mit zwei jungen Burschen in Krefeld passiert?« Isaak schüttelte zweifelnd den Kopf. Dann lehnte er sich zurück und schloss erschöpft die Augen.
»Ich bin mir sicher, dass sie uns helfen«, sagte Abraham und stand auf.
Nachdem Esther umgezogen war, ging es ihr sichtlich besser. Sie wirkte entspannter und nicht mehr so unruhig. Als ein Brief von William Penn aus England kam, blühte sie geradezu auf.
»Habe ich es nicht gesagt?« Abraham schwenkte den Brief enthusiastisch.
»Was schreibt er?« Gretje wischte sich die Hände an der Schürze ab, schickte Rebecca in den Keller, um kühlen Wein zu holen.
Vorsichtig öffnete Abraham den Brief und faltete ihn auseinander. Er las ihn stumm, bewegte dabei nur die Lippen.
»Nun spann uns nicht so auf die Folter, minn Zoon. Was schreibt der Engländer?«, fragte Isaak unwirsch.
»Er schreibt, dass er den Prinzen von Oranien angeschrieben und sich für Hermann und Heinrich eingesetzt hätte.« Abraham setzte sich, trank einen Schluck Wein und las ihnen den Brief vor.
Penns energisches Eintreten für die beiden jungen Männer hatte Erfolg. Auch wenn der Droste von Kinsky eine Delegation der Reformierten empfing und mit ihnen zusammen die Maßnahmen gegen die Quäker verteidigte, musste er sich schließlich doch fügen.
Unter großem Jubel konnten die Familien Anfang Juni Hermann und Heinrich wieder in ihre Arme schließen. Der Prinz hatte angeordnet, dass sie nicht mehr belästigt werden durften. Die Stadt hielt sich wohl an diese Vorgabe, doch die Stimmung zwischen den Glaubensgemeinschaften wurde immer schlechter.
Der Sommer kam, und im August fuhr Abraham mit Freunden nach Duisburg zu einer Versammlung der Quäker. Hermann wäre gerne mitgefahren,
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