Die Heilerin
warten!«, sagte Abraham und hob den Kopf. »Und wir können uns nicht ewig ducken.«
»Amen«, rief jemand. »Amen, Amen, Amen …« Der Ruf wurde von den anderen aufgenommen, und schließlich standen alle und hoben ihre Becher und Gläser. »Auf eine friedliche Zukunft.«
Es war weit nach Mitternacht, als der letzte Gast ging. Seufzend räumten Rebecca, Margaretha und Esther das Geschirr zusammen, sortierten übrig gebliebene Speisen, spülten ab und fegten die Stube.
»So kann das nicht weitergehen«, sagte Esther und gähnte herzhaft. »Jeden Sonntag wird das Treffen länger. Morgen müssenwir früh aufstehen. Wie machen das die Selbachs? Dort treffen sich viel mehr Familien.«
»Selbachs haben schon vor Jahren eine Scheune angebaut, nur für die Treffen der Mennoniten. Das ist nicht ihre gute Stube, sie können die Bänke und Tische stehen lassen, das Geschirr am nächsten Tag in aller Ruhe wegräumen und spülen.« Margaretha drückte die Fäuste in ihr Kreuz.
»Das würde ich mir auch wünschen«, sagte Esther leise. Sie sah sich um. »Catharina ist schon vor zwei Stunden zu Bett gegangen«
Margaretha schaute sie verständnisvoll an. »Ich weiß, was du meinst. Wäre ja auch mal nett, wenn die Treffen drüben bei Catharina und Abraham stattfinden würden. Aber sie haben den Platz nicht, dort stehen die Webstühle«
»Das mag sein. Aber helfen könnte sie doch, oder? Sie tut nichts, sie ist immer müde oder beschäftigt. Ich will ihr nichts Böses, aber es ärgert mich, dass wir ihre Arbeit immer übernehmen müssen.« Esthers Stimme wurde lauter.
»Psst. Ruhig. Die Kinder schlafen.« Gretje war leise in die Küche gekommen und sah sich um. »Ihr habt schon wunderbar aufgeräumt. Den Rest machen wir morgen. Jetzt ist es Zeit für alle, ins Bett zu gehen.« Sie legte Esther die Hand auf die Schulter. »Gräme dich nicht. Tue es nicht. Du hast zwei wunderbare Söhne, die du liebst, und sie lieben dich. Dein Mann liebt dich auch. Catharina hat das nicht, nicht so wie du. Irgendetwas zerfrisst sie. Sei gnädig mit ihr, Hartje.«
Esther senkte den Kopf. »Du hast ja recht.« Dann schluckte sie. »Werden wir davonziehen? Ins fremde Land?«
Gretje schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Meisje. Aber ich fürchte mich davor.«
»Wer ist dieser Advokat?«, fragte Margaretha.
»Das weiß ich auch nicht, Meisje. Aber er wird uns sicherlich besuchen kommen.« Gretje seufzte. »Die Männer werden entscheiden. In Krefeld scheint nicht unsere Zukunft zu liegen.«
Margaretha pfiff Jonkie zu sich, ging mit dem Hund in den Hof. Ein Advokat, dachte sie voller Zorn, ein Rechtsverdreher. Ich hasse ihn jetzt schon. Er braucht gar nicht zu kommen.
Margaretha versuchte, mit allen Kräften, so zu glauben, wie ihre Brüder es taten. Sie wollte eine gute Schwester in der Gemeinschaft der Freunde sein. Sie wollte es, doch jedes Mal, wenn sie sich in das stille Gebet zu vertiefen suchte, kamen ihre Gedanken auf das Essen, das zu kochen war, die Vorräte, die aufgefüllt werden mussten, kranke Gemeindemitglieder und schließlich diesen Franz Daniel Pastorius und seine Frankfurter Land Compagnie. Angst erfasste sie und auch Wut. Obwohl es schwieriger wurde, ging es ihrer Familie noch gut in Krefeld. Sie wollte hier nicht weg. Margaretha schämte sich, weil sie sich nicht so tief ins Gebet versenken, keine Zwiesprache mit Gott führen konnte, sondern zornige Gedanken hatte.
Das Jahr ging zu Ende, ohne dass Pastorius von sich hören ließ. Die Frauen der Familie sahen es mit Erleichterung, die Männer warteten ungeduldig auf Antwort.
Traurig und einsam fühlte sich Margaretha in der Neujahrsnacht. Keiner der Quäker ging mit dem Brummtopf um die Stadt. Zu Jan Scheuten hatte sie kaum noch Kontakt, seit die Quäker sich bei den op den Graeffs trafen. Er mied ihre Anwesenheit, ritt nicht mehr mit ihr aus und scheute Treffen.
Sie vermisste seine Freundschaft schmerzlich.
»Frohes neues Jahr«, schallten die Rufe um Mitternacht durch die Stadt. Die Glocken der Kirche wurden geläutet. Dirck ging mit Rebecca vor die Tür, prostete den Nachbarn zu. Erst eine Stunde später kamen die beiden zurück, Rebecca zupfte sich Strohhalme aus dem Haar. Nur Margaretha schien das zu beobachten, keiner sonst nahm Notiz von den beiden, die sich verliebt ansahen. Einsam verkroch Margaretha sich in ihr Bett.
Kapitel 21
Das Jahr begann feucht. Der Winter war allzu mild, es fror kaum und schneite auch nicht. Gretje sah es mit
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