Die Heilerin
Margaretha erschrocken.
»Ich füge mich der Entscheidung deiner Brüder.«
»Das kann nicht sein, Moedertje. Sie wollen in die Neue Welt ziehen, in dieses fremde Land, weit ab von jedem uns bekannten Leben. Wir werden dahin ziehen, ohne Haus und Grund, ohne Vorräte, ohne … Sicherheiten …« Margaretha schlug die Hände vor das Gesicht. »Wir werden ins Ungewisse ziehen.«
»Wieso bist du so fest davon überzeugt? Deine Brüder sehen das anders, auch Mijnheer Pastorius scheint eher freudig in die Neue Welt zu gehen. Mijnheer Penn ist kein Träumer, sondern ein gestandener Mann. Er lebt inzwischen in der NeuenWelt, hat eine Stadt gegründet. Meinst du, er muss Hunger leiden? Wohnt in einem Verschlag? Das kann ich mir nicht vorstellen, Meisje.«
»Ihm gehört der Staat, Moedertje, er ist mit ganz anderen Mitteln in das Land gereist.« Margaretha senkte den Kopf. »Was hätte Vater dazu gesagt?«
»Isaak?« Gretje seufzte laut auf. »Die Rede von dem Land jenseits des Meeres gab es schon, als er noch lebte, Hartje. Er war zwiegespalten. Diese fremde Welt und alles, was man darüber lesen kann, hat ihn verschreckt. Jamestown und die Wilden, das sind sehr befremdliche Berichte. Sie lassen mich fürchten, ihn hatten sie auch erschreckt. Aber der Gedanke an diesen Staat hat ihn fasziniert und begeistert. Wie er entschieden hätte? Ich weiß es nicht.«
»Pastorius sagt, die Wilden in Pennsylvania wären nicht so schlimm wie die in Jamestown, aber er war noch nie da, er kennt nur Berichte.«
Gretje lachte leise. »Die ersten Siedler hatten noch nicht einmal Berichte. Sie sind aus Überzeugung und mit großem Glauben über das Meer gesegelt, vielleicht sind sie auch für ihren Glauben gestorben, oder wegen ihrer Abenteuerlust.« Sie nahm das Brot aus dem Ofen, legte es zum Auskühlen auf die Anrichte. »Fast achtzig Jahre sind vergangen. Eine lange Zeit. Als die ersten Siedler Jamestown bauten, kamen auch die ersten Mennoniten nach Krefeld. Die Mennoniten fanden hier Zuflucht, die Siedler in Jamestown mussten bitter um ihr Überleben kämpfen und verloren größtenteils. Jetzt hat sich aber das Blatt gewendet. Wir sind hier gerade noch geduldet, es gibt Ausschreitungen gegen unsere Glaubensbrüder, Ausgrenzung und Schlimmeres. Wer weiß, wie das weitergeht. Woanders könnte es besser sein.«
»Moedertje, aber wir wissen nichts über das Leben dort. Was würden wir mitnehmen? Und erst wenn wir da sind, werden wir wissen, was wir verlassen haben.«
»Meisje, das mag alles sein. Lass uns abwarten. Gott wirduns schon die richtige Richtung zeigen. Manchmal glaube ich, dass dein Glaube nicht sehr stark ist.« Sie schüttelte den Kopf.
Margaretha sah sie überrascht an. »An meinem Glauben brauchst du nicht zu zweifeln, Moedertje.«
Bevor Gretje etwas erwidern konnte, kamen die Frauen in die Küche. Sie tuschelten leise miteinander, eine gewisse Beklemmung schien über ihnen zu liegen. Bisher war die Neue Welt weit weg gewesen und der Gedanke, dorthin zu ziehen, nur eine vage Idee. Doch nun nahm dieser Gedanke Gestalt an. Viele der Täuferfamilien waren schon oft umgesiedelt, manchmal freiwillig, oft unter Zwang. Und doch war es anders, als über das Meer zu reisen und in die Fremde zu ziehen.
Immer noch diskutierten die Männer in der Stube. Die Frauen füllten Becher und Schalen, brachten Brot und Bier nach nebenan.
»Gebt den Männern ordentlich, vor allem Fleisch. Mit gefülltem Magen kann man ruhiger reden«, sagte Gretje.
Nach einer Weile war die Luft in der Küche stickig und heiß. Während die Männer in der Stube aßen, setzten sich die Frauen nun an den Tisch. Auch sie sprachen über die Pläne. Die Kinder spielten im Hof. Margaretha brachte ihnen Brot und Schmalz, ein wenig Fleisch und die letzten, schon schrumpeligen, süßen Äpfel. Sie setzte sich auf die Bank, lehnte den Kopf an die sonnengewärmte Hauswand und schloss die Augen.
»Immer treffe ich Euch hier im Hof«, sagte Pastorius lächelnd.
Margaretha schreckte hoch.
»Habe ich Euch erschreckt?« Er setzte sich neben sie.
»Müsst Ihr nicht drinnen sein?«, fragte Margaretha überrascht.
»Nein, ich glaube, es ist besser, wenn ich die Männer alleine lasse. So können sie in Ruhe ihre Gedanken und vielleicht auch Bedenken austauschen. Ich möchte sie nicht bedrängen. So eine Entscheidung muss aus freiem Willen geschehen.«
»Da habt Ihr recht.« Margaretha zögerte. Jonkie lag zu ihren Füßen, streckte sich im fahler werdenden
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