Die Heilerin
nichts vor.« Margaretha tauchte ihre Hände in das seifige Wasser,schloss für einen Moment die Augen und versuchte, die Angst, die wie ein Stein in ihrem Magen lag, zu verdrängen.
»Margret, du machst dir zu viele Gedanken.« Esther legte ihr die Hand auf den Arm. »Geh ins Bett und schlaf. Morgen sieht alles schon anders aus.«
Margaretha nickte, sie sah ihrer Schwägerin hinterher, die langsam nach oben ging. Für sie alle war es ein langer und anstrengender Tag gewesen. Dann nahm Margaretha den nächsten Teller und tauchte ihn in das Wasser.
Als der Hahn im Hof krähte, hatte sie das Gefühl, gar nicht geschlafen zu haben. Und doch lag der Kater neben ihr, räkelte sich und schnurrte laut. Als sie zu Bett gegangen war, hatte sie ihn vergeblich gerufen. Sie seufzte, alles in ihr sträubte sich dagegen aufzustehen. Ihre Beine und Arme taten weh, der Rücken schmerzte, und hinter ihren Schläfen pochte es. Noch einen Moment, dachte sie, noch einmal die Augen schließen.
Kurz darauf hörte sie Geräusche aus der Küche. Zum ersten Mal seit vielen Monaten war sie nicht die Erste, die aufgestanden war. Langsam erhob sich Margaretha. Das Wasser in dem Krug auf ihrer Kleiderkiste war kalt, fast eisig. Anfang April war es morgens noch sehr frisch. Sie schüttete ein wenig davon in die Schüssel, wusch sich. Das kühle Wasser erfrischte sie, allmählich kehrten ihre Lebensgeister zurück. Nachdem sie ein sauberes Kleid angezogen und sich eine Schürze umgebunden hatte, ging sie in die Küche. Pastorius saß, wie am Tag zuvor, auf der Bank, hatte die Augen geschlossen und die Hände gefaltet.
Rebecca hatte das Herdfeuer geschürt, Wasser aufgesetzt und schnitt Speck und Zwiebeln in kleine Würfel. Sie hatte den Kopf gesenkt und machte einen verhuschten Eindruck. Margaretha hatte noch nicht mit ihr alleine gesprochen.
»Guten Morgen«, sagte sie freundlich und strich eine widerspenstige Haarsträhne unter ihre Haube. »Du bist ja schon auf?«
Rebecca sah kurz zu ihr hoch, wies dann auf Pastorius und zog eine Grimasse.
»Guten Morgen, Mijnheer Pastorius, lasst Euch nicht in Eurem Gebet stören.« Margaretha grinste. »Was machst du zum Frühstück, Rebecca?«
»Es ist noch ein wenig von dem Linsengericht da und zwei halbe Pasteten. Ich habe das Brot schon in den Ofen geschoben, aber es wird noch eine Weile brauchen.« Wieder sah sie verunsichert erst zu Pastorius, dann zu Margaretha. Diese lachte lautlos.
»Das wird nicht reichen.« Margaretha schaute in die Vorratskammer und seufzte. »Im Wallgarten wächst der Gute Heinrich schon kräftig. Davon werde ich für das Nachtmahl einiges ernten. Mir hängen die Hülsenfrüchte zum Hals raus. Zum Glück hast du gestern reichlich Eier vom Markt mitgebracht, daraus können wir mit dem Speck und den Zwiebeln Rührei machen. Pastinaken haben wir auch und einige Möhren. Die können wir mit saurer Sahne und ein wenig Dörrfleisch zu einem Brei kochen.« Sie brachte die Wurzeln in die Küche, legte sie auf den Tisch. Pastorius hatte sich inzwischen erhoben und stand an der Tür zum Hof. Verlegen schaute er die beiden an.
»Die Küche eines großen Haushalts ist nicht der richtige Ort, um stille Andacht zu halten. Es tut mir leid. Ich werde ein paar Schritte gehen. Darf ich den Hund wieder mitnehmen? Er ist eine angenehme Begleitung.«
»Aber sicher, Mijnheer Pastorius. Die Morgenluft ist frisch und klar, genießt es.«
Sie warteten, bis er das Haus verlassen und den Hof durchquert hatte, dann sahen sie sich an und brachen in Gelächter aus.
»Ich habe mich so erschrocken, als ich ihn bemerkte«, sagte Rebecca kichernd. »Ich hatte schon das Feuer geschürt und ordentlich mit den Töpfen geklappert, dann drehte ich mich um und da saß er – stocksteif und mit gesenktem Kopf.«
»So ging es mir gestern auch.« Margaretha lachte. »Erst dachte ich, ihm ginge es nicht gut, aber dann sah ich seine gefalteten Hände, und mir wurde klar, dass er betet.«
»Es war ihm unangenehm, das konnte man sehen.«
»Ja, Mijnheer Pastorius ist ein feinfühliger Mensch. Es wird ihm sehr unangenehm sein. Wir müssen dafür sorgen, dass er sich gleich wohlfühlt.« Margaretha begann, die Wurzeln zu putzen. »Wie geht es dir?«, fragte sie dann leise.
Rebecca stockte, sie holte tief Luft, sah ihre Freundin an. »Ich weiß es nicht.«
»Hat Dirck mit dir gesprochen?«
»Nein.«
Margaretha schluckte, das hatte sie nicht erwartet. Der gestrige Tag war angefüllt gewesen mit Betriebsamkeit
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