Die Heilerin
bisher nicht hatte. Ich denke darüber nach, denn es wird nicht möglich sein, Flachs oder Leinen mitzunehmen.«
Schweigend gingen sie die nächsten Schritte, näherten sich der Hochstraße, die vom Ober- zum Niedertor durch die Stadt führte.
»Meine Frage habt Ihr immer noch nicht beantwortet. Glaubt Ihr, dass meine Brüder Euch folgen wollen?« Margaretha blieb stehen. Sie sah ihn an und fühlte die Tränen in ihren Augen.
»Meine liebe Mejuffer op den Graeff, in den wenigen Stunden, die ich Euch nun kenne, habe ich Euch sehr schätzen gelernt.« Er nahm ihre Hände in seine. Zuerst sträubte sich Margaretha gegen die Berührung, doch seine Finger schlossen sich warm um ihre. »Ich möchte Euch nicht unglücklich sehen. Es schmerzt mich, mit welchen Ängsten Ihr in die Zukunft schaut. Ich sehe es ganz anders, viel verlockender. Ein neues Land, ein neues Leben ohne Beschränkungen, ohne Verfolgungund Restriktion. Ihr habt aber recht – man muss dieses Leben erst aufbauen, und ob ich dazu imstande bin?« Er sah auf seine Hände. »Ich weiß es nicht.«
»Wenn man arbeiten muss, dann kann man es auch.« Margaretha drehte sich um, ging die schmale Gasse zurück Richtung Pforte.
»Vermutlich habt Ihr recht. Ich war noch nicht in Amerika, ich kenne nur die Berichte und vertraue ihnen. In ein paar Wochen weiß ich, wie es da wirklich ist.«
»Und Ihr habt keine Angst?«
Pastorius überlegte. »Nein, nicht wirklich. Vielleicht male ich es mir aber auch zu schön.«
Jonkie war ihnen nicht gefolgt, und Margaretha blieb stehen, pfiff einmal laut und schrill. Der Hund tauchte am Ende der Gasse auf, lief zu ihr. »Braves Mädchen.« Margaretha wandte sich wieder Pastorius zu. »Ich weiß, dass meine Brüder in die Neue Welt ziehen wollen. Ich glaube nicht, dass Euer Bericht sie abgeschreckt hat, eher hat er das Gegenteil erzeugt. Das ist nun mal so, und ich werde mich fügen, wie auch immer die Entscheidung ausfällt.«
»Ich habe das dumpfe Gefühl, das Ihr nicht glücklich mit so einer Entscheidung seid, und fürchte, dass Ihr es mir anlastet.«.
»Ihr seid nur der Überbringer einer Botschaft, Mijnheer. Macht Euch nicht zu viele Gedanken«, sagte Margaretha munterer, als sie sich fühlte. »Es wird Zeit zurückzukehren. Habt Ihr schon gegessen? Der Schinken ist köstlich, und auch das Linsengericht meiner Mutter kann ich Euch empfehlen.«
»Ihr seid herrlich praktisch, Mejuffer op den Graeff.« Pastorius lachte. »Und Euer Essen ist phantastisch.«
Beklommen betrat Margaretha das Haus. Die Luft in der Küche war mit den Dünsten der Töpfe, den Gerüchen von Essen und Trinken und den vielen Stimmen der Menschen gefüllt. Esther und Gretje spülten Teller und Besteck, Catharina füllte Krüge mit Bier und Wein. Margaretha beeilte sich,ihr zu helfen. Die Versammlung würde sicher noch lange andauern.
Erst nach Mitternacht gingen die letzten Gäste. In den vergangenen beiden Stunden hatte sich die Stimmung gelockert, die Anspannung schien verschwunden zu sein. Das Thema Auswanderung wurde nicht mehr erwähnt, nachdem sie lang und breit darüber diskutiert hatten.
»Die Informationen und Berichte müssen erst einmal sacken«, sagte Hermann zu Pastorius. »Eine Nacht werden wir wohl darüber schlafen müssen, auch wenn uns nun vieles klarer ist als zuvor.«
»Schlaft ruhig zwei oder drei Nächte darüber, besprecht es mit Euren Familien. Ich denke, auch die Frauen haben dazu eine Meinung.«
»Das ist wohl so. Viele Fragen sind geklärt, Euer Besuch ist wirklich hilfreich und gut. Ich wünsche Euch eine gute Nacht.«
Während die Männer sich zurückzogen, öffnete Margaretha die Fenster und Türen weit. Die Räume waren voller Qualm, es roch nach Essen und stank nach Schweiß. Die kühle Nachtluft durch das Haus strömen zu fühlen war eine Wohltat. Sie setzte einen Kessel mit Wasser auf.
»Geh ins Bett, Margret«, sagte Esther gähnend. »Wir können auch morgen noch spülen und aufräumen.«
»Geh du ruhig, Catharina hat sich vor Stunden schon zurückgezogen, und Mutter habe ich in ihre Kammer geschickt, da sie auf ihrem Stuhl eingenickt war.« Margaretha lächelte. »Rebecca bringt noch eben die Abfälle zur Grube, dann soll auch sie zu Bett gehen. Ich bin zu unruhig und werde sowieso nicht schlafen können.«
»Ach, Meisje, mach dir nicht so viele Sorgen. Die Entscheidungen, die fallen, werden alle unsere Überlegungen und Ängste berücksichtigen.«
»Die Entscheidung ist schon gefallen, machen wir uns
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