Die Heilerin
und Unruhe, aber Dirck hätte fünf Minuten Zeit finden müssen, um mit Rebecca zu reden. Dass er es nicht getan hatte, sprach nicht für ihn.
»Er wird für dich einstehen und auch für das Kind«, sagte Margaretha mit mehr Überzeugung, als sie besaß.
»Und wenn nicht?«, fragte Rebecca zaghaft. »Mein Vater bringt mich um, wenn ich mit einem Bastard nach Hause komme.«
Margaretha legte das Messer beiseite, nahm das Mädchen in den Arm. »Keine Sorge«, flüsterte sie. »Das werden wir alles hinbekommen. Du trägst ein Kind der Familie und keinen Bastard.«
Rebecca drückte sich an sie. »Ich habe so Angst.«
»Das musst du nicht. Alles wird gut.« Margaretha holte tief Luft. Sie belog Rebecca und sich selbst, das wusste sie.
Zwei Stunden später saßen alle um den Tisch. An diesem Morgen verlief das Frühmahl deutlich ruhiger als gewöhnlich. Alle waren in Gedanken und erschöpft. Nach der Mahlzeit zogen sich die Männer mit Pastorius noch einmal in die Stube zurück, um weitere Fragen zu erörtern.
Die Frauen kümmerten sich um den Haushalt, vermiedendas Thema Neue Welt und Pennsylvania. Die Atmosphäre war ungewöhnlich gedämpft. Wie die Ruhe vor dem Sturm, dachte Margaretha. Gegen Mittag hielt sie es nicht mehr aus, nahm ihren Korb und ein scharfes Messer. »Ich gehe in den Wallgarten und werde Melde und Guten Heinrich ernten, nach den Setzlingen schauen und aussäen.«
»Lass das Aussäen«, sagte Gretje müde. »Zumindest, bis wir wissen, was wird.«
Margaretha wandte sich ab, ihr stiegen die Tränen in die Augen. Jemand zog an ihrem Ärmel. Es war der kleine Samuel.
»Darf ich mitkommen, Tante? Bitte. Onkel Dirck hat mir ein Rindenschiffchen gebaut, und ich möchte es im Graben schwimmen lassen.«
Sie warf Esther einen fragenden Blick zu, ihre Schwägerin nickte zustimmend, beinahe erleichtert. Da die Bürger der Stadt zunehmend aggressiv den Quäkern gegenüber waren, durfte Samuel nicht auf der Straße spielen, so wie die anderen Kinder. Obwohl er ein liebes Kind war und sich gut beschäftigen konnte, war doch das Leben, eingeschränkt in Küche und Hof, eher langweilig für den aufgeweckten Jungen. Margaretha nahm seine Jacke und die Stiefel, half Samuel beim Anziehen und pfiff nach Jonkie. Der Wind war aufgefrischt, und es war nicht mehr so milde, wie an den Tagen zuvor. Samuel trug das kleine Schiff aus Rindenholz vorsichtig in seinen Händen, Margaretha rührte der Anblick.
»Ein schönes Boot hat dir Dirck geschnitzt.«
»Ja. Ich finde es auch sehr schön. Aber ich muss wissen, ob es schwimmt, wirklich schwimmt, nicht nur im Eimer im Hof.« Er sah sie ernsthaft an. »Das ist wichtig.«
»Im Eimer im Hof schwimmt es?«
»Ja.«
»Aber Samuel, warum musst du es dann im Wasserlauf ausprobieren? Möglicherweise geht es dort unter, oder es wird davongetragen, das wäre doch schade.« Margaretha lächelte.
»Ich möchte das aber wissen. Ich habe gehört, wie Mutter und Vater über ein Schiff sprachen. Es soll über das weite Meer segeln. Wir sollen mitfahren. Ich will wissen, wie ein Schiff auf dem Wasser fährt.«
Margaretha schluckte. »Wann haben sie das gesagt?«
»Schon vor einer Weile und heute Nacht wieder.« Samuel hielt das Schiffchen hoch. »Onkel Dirck hat es geschnitzt. Er kann gut schnitzen, wenn dieses Boot im Wassergraben fahren kann, dann habe ich keine Angst vor dem Meer.« Er lächelte Margaretha an.
»Du musst keine Angst haben, alles wird sich fügen.«
»Hast du denn keine Angst vor dem Meer?«
Ja, dachte Margaretha, die habe ich und vor allem anderen auch, aber ich kann es nicht ändern, genauso wenig wie du.
»Nein«, sagte sie und holte tief Luft.
»Mejuffer op den Graeff, Margret …!«, rief jemand.
Margaretha drehte sich um, Pastorius stand vor dem Haus der op den Graeffs und winkte. Sie blieb abwartend stehen. Eilig lief Pastorius hinter ihr her. Er trug seinen Rucksack über der Schulter, hatte den Hut noch in der Hand. Als er sie erreichte, wischte er sich über die Stirn, setzte dann den Hut auf.
»Ich wollte nicht gehen, ohne mich von Euch verabschiedet zu haben«, sagte er zögernd.
»Ihr verlasst die Stadt?«
»Ja, ich werde jetzt nach Rotterdam reisen und von dort alles Weitere regeln. So schnell es geht, werde ich mich einschiffen.«
Margaretha nickte. Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Samuel zog an ihrer Hand. »Komm, Tante. Ich möchte zum Graben.«
»Wir sind auf dem Weg zum Wallgarten«, sagte Margaretha unschlüssig.
»Ihr
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