Die Heilerin
alleine, Mijnheer Pastorius, wir werden es nicht sein. Andere haben sich unserer Familie angeschlossen. Es werden sieben oder acht Familien sein, die mit uns reisen. Gasthöfe und Fuhrwerke von Bauern werden wir nicht in Anspruch nehmen können, denke ich. Wie der Weg wird? Vermutlich holpriger als Eurer. Aber inzwischen sehe ich es mit mehr Gelassenheit. Gott wird uns führen. Er wird uns leiten.
Wir werden uns in Pennsylvania sehen, so Gott will.
Eure
Margaretha op den Graeff«
Sie versiegelte den Brief und gab ihn dem Knecht. Der nickte nur, nahm die Münze und machte sich auf den Weg.
Am nächsten Tag wartete sie auf den Boten mit einem weiterenBrief, doch es kam niemand. Auch am Tag darauf wartete sie vergebens. Margaretha begann, sich Sorgen zu machen. War Pastorius etwas zugestoßen? Oder war seine Euphorie, ihr zu schreiben, erloschen? Hatte er es sich möglicherweise anders überlegt und würde nicht nach Pennsylvania auswandern?
Währenddessen nahmen die Vorbereitungen im Hause op den Graeff Gestalt an. Die Stube wurde leer geräumt und ausgefegt. Immer mehr Stapel lagerten dort. Gretje sortierte Wäsche, Kleidung und Geschirr, die jungen Frauen wuschen, die Männer webten immer noch mit Hochdruck. Hermann und Abraham sprachen mit verschiedenen Interessenten, die die Häuser kaufen wollten. Das Vorhaben der Auswanderer hatte sich in der Stadt schnell herumgesprochen. Da Wohnraum Mangelware war, rückten die Familien in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.
Jeden Abend fiel Margaretha erschöpft ins Bett, stand früh am nächsten Tag auf. Ihre Arme schmerzten, die Haut an den Händen war durch die Seifenlauge rissig geworden. Sie hatte keine Zeit mehr, sich Gedanken und Sorgen zu machen. Als am Ende der Woche der Bote einen weiteren Brief von Pastorius brachte, freute sie sich dennoch sehr. Sie schlich sich wieder in die Ecke hinter der Scheune, holte tief Luft und versuchte zur Ruhe zu kommen, bevor sie den Brief öffnete.
»Liebe Mejuffer op den Graeff,
ich habe Rotterdam erreicht und Eure Briefe vorgefunden. Mein Herz hat vor Freude gejubelt. Ich gestehe, ich hatte mit Bangen darauf gehofft, ein Zeichen von Euch vorzufinden. Es hat mich einige Überwindung gekostet, Eure Briefe zu öffnen und zu lesen, befürchtete ich doch zu hören, dass sich Eure Familie anders entschieden hätte.
Und nun sitze ich hier, halte Eure Schreiben in meinen Händen und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Mich plagt das schlechte Gewissen, denn imGrunde meines Herzen weiß ich ja, dass Ihr nichts lieber tätet, als in Krefeld zu bleiben. Das ist Euch aber nicht vergönnt, und ich trage Schuld daran.
Liebe Mejuffer op den Graeff, aber dennoch freue ich mich unbändig, denn es bedeutet, dass wir uns wiedersehen werden. Ich werde Eure Ankunft in Philadelphia erwarten, und ich werde alles dafür tun, dass Ihr Euch dort wohlfühlt.
Nun bin ich also in Rotterdam angekommen, eine große und unruhige Stadt. Die Handelskontore sind voller Waren aus aller Welt. Gerüche und Geräusche, wie ich sie selbst in Frankfurt nie erlebt habe, strömen auf mich ein und überwältigen mich.
Dies ist nur eine Etappe auf meiner Reise, und doch werde ich mich einige Tage in der Stadt aufhalten müssen, obgleich ich nichts lieber täte, als sofort in die Neue Welt abzureisen. Zuvor werde ich mich jedoch um die Belange der Frankfurter Land Compagnie kümmern müssen. Ich habe hier zwei ehrenhafte und gottesfürchtige Mitstreiter gefunden, der eine ist sogar Eurer Familie bekannt, denn seine Familie stammt aus Krefeld. Es ist der Kaufmann Jacob Telner. Mit ihm und Mijnheer Benjamin Furly von der Frankfurter Land Compagnie werden wir alle weiteren Schritte einleiten, damit Eure Familie und alle anderen, die sich Euch angeschlossen haben, alles zu Eurer Zufriedenheit vorfinden. Ein Schiff ist schon gefunden, liegt in Gravesend, dem Hafen vor London. Noch ist das Schiff nicht reisefertig, und ich werde mir eine andere Überfahrt suchen müssen. Doch davon später mehr. Nun drängen mich die Geschäfte.
Ich verbleibe vorerst mit aufrichtigen Grüßen und großer Freude
Euer
Franz Daniel Pastorius«
Ein Schiff lag also schon bereit. Margaretha lehnte sich zurück, ließ die Sonne auf ihr Gesicht scheinen und schloss die Augen. Wie mochte so ein Schiff aussehen? Wie würden sie darauf Platz finden? Alle Mutmaßungen brachten sie nicht weiter, sie würde abwarten müssen.
Auch Hermann hatte Post aus Rotterdam
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