Die Heilerin
Rebecca verletzt. Ich warne dich, so etwas möchte ich auf dem Schiff nicht erleben.«
»Immer mit der Ruhe.« Abraham stand auf. »Catharina hat einen Fehler gemacht, eine unbedachte Bemerkung. Sie wird sich dafür entschuldigen.«
»Aber …«, setzte Catharina an.
Abraham drehte sich zu ihr um und sah sie an. »Das wirst du, Vrouw.« Dann wandte er sich wieder Hermann zu. »Wir sind alle angespannt. Die Reise macht uns unsicher und nervös. Du hast natürlich recht, wir sollten in uns gehen und Gott bitten, uns Geduld zu geben. Geduld und Demut. Lasst uns beten.«
Er faltete die Hände, schloss die Augen und senkte den Kopf. Die anderen folgten seinem Beispiel.
Vor der Tür stand Rebecca und weinte leise. Margaretha nahm sie in die Arme und drückte sie an sich. »Hör nicht auf sie, sie ist es nicht wert.«
»Vielleicht hat sie ja recht. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich nicht mitgekommen wäre. Dirck hätte sich eine passende Frau suchen können. Nun hat er die Magd geehelicht, die noch nicht einmal ein Kind austragen kann.«
»Wie kannst du so etwas sagen? Es gibt keine bessere Frau für Dirck als dich. Er liebt dich. Und Esther und ich können uns keine bessere Schwägerin vorstellen.«
In diesem Moment bog Dirck um die Ecke, der im Hafen unterwegs gewesen war. Überrascht blieb er vor den Frauenstehen, legte sacht seine Hand auf Rebeccas Schulter. »Liefje, was ist passiert? Geht es dir nicht gut?« Er zog sie an sich, sah Margaretha fragend an. Sie wies mit dem Kopf nach hinten zur Stube und sagte tonlos »Catharina«.
Dirck schnaubte auf. »Hartje, lass dich nicht ärgern. Nicht von dieser Hundsföttischen. Egal, was sie gesagt hat, es ist nicht wert, darüber Tränen zu vergießen.«
Rebecca hob den Kopf und wischte sich über die Augen. »Es tut mir leid«, sagte sie leise.
»Dir muss gar nichts leidtun. Catharina wird es bereuen, dass sie dich zum Weinen gebracht hat.«
»Ruhig, Dirck. Hermann hat vorhin ein paar Worte gesagt, und ich finde, er hat recht. Wir müssen uns alle zusammenreißen. Egal, ob wir uns mögen oder nicht, die nächsten Wochen müssen wir auf engstem Raum miteinander verbringen. Lass es uns ein Trost sein, dass wir danach vermutlich genug Land haben, um Catharina für alle Zeiten aus dem Weg gehen zu können.«
Am 24. Juli 1683 stach die »Concord« mit etwa einhundert Passagieren in See. Kapitän William Jeffries begrüßte alle Auswanderer herzlich und versicherte, dass die »Concord« einer der schnellsten und sichersten Segler wäre, die das Meer je durchpflügt hatten. Vierzehn gepökelte Ochsen waren geladen worden, dreißig Fässer Bier, Brot und Schiffszwieback. Jede Familie hatte die Möglichkeit, auch eigenen Proviant mitzubringen. Auf Claypooles Rat hin hatten die op den Graeffs Butter und Käse besorgt, Branntwein, Hirse, Reis und Buchweizen. Ein Fässchen früher Äpfel wurde auch an Bord gebracht. Gretje hatte in Gravesend Hagebutten erworben, Zwiebeln und auch Birkenrinde.
»In harten Wintern und schlechten Sommern tun diese Dinge Wunder. Sie habe etwas in sich, was dem Skorbut entgegenwirkt. Sauerkraut hilft auch, aber um diese Zeit gibt es fast keinen Kohl mehr.« Gretje sah durch ihre Vorräte, ordnetesie neu. »Ich hoffe, ich habe an alles gedacht.« Sie schaute Margaretha an, lächelte schief. »Ich habe das Gefühl, dass ich in letzter Zeit Dinge vergesse.«
Margaretha biss sich auf die Innenseite der Wange und versuchte, keine Miene zu verziehen. »Das meinst du nur. Es liegt daran, dass all unsere Sachen in Kisten und Kästen sind, wir kein Regal vor uns haben und jeder Tag etwas Neues bringt. Es ist verwirrend.«
»Das mag so sein, Meisje.« Gretje lehnte sich zurück und hustete. Den trockenen Husten war sie seit dem Unwetter nicht mehr losgeworden, obwohl ihre Tochter ihr täglich einen Aufguss aus Efeuwurzeln mit Honig zubereitete. »Du hast viel gelernt in den letzten Jahren und wirst eine gute Heilfrau und Hebamme werden. Darüber bin ich sehr froh.«
»Du hast mir alles beigebracht, was ich weiß.«
Mit gemischten Gefühlen stachen sie in See. Endlich ging es los, doch nun gab es auch kein Zurück mehr. Ein letztes Mal sah Margaretha zur immer kleiner werdenden Küste, dann drehte sie sich um, beschloss, ab jetzt nach vorne zu sehen.
Endlos breitete sich das Meer in allen Nuancen von Grau und Blau um sie herum aus. Gleichförmig zogen die Tage dahin, nur selten durch einen Wetterwechsel unterbrochen. Von schweren
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