Die Heilerin
auf den Planken, eine dunkle Pfütze breitete sich um sie aus.
»Licht!«, schrie Margaretha. »Wir brauchen Licht, eine Laterne!« Sie kniete neben Rebecca. Ihre Schwägerin sah sie mit schreckensgeweiteten Augen an, presste dann ihre Hände auf den Bauch und stöhnte.
»Das Kind«, sagte sie leise und schloss die Augen.
Margaretha zog Rebecca an die Seite. Die Magd der Familie Kunders lag mit verdrehtem Hals auf dem Boden und atmete nicht mehr, für sie kam jede Hilfe zu spät.
»Moedertje!«, rief Margaretha. »Moedertje!« Doch Gretje saß an die Wand gelehnt, einen Beutel in den Händen und rührte sich nicht.
Vorsichtig hob Margaretha den inzwischen blutigen Rock der Schwägerin. »Die Fruchtblase ist geplatzt, du blutest. Hast du Schmerzen?«, fragte sie leise. Rebecca nickte und presste die Lippen zusammen.
Am Abend des nächsten Tages erreichte der holländische Frachter den Hafen von Gravesend. Die Überfahrt war ohne weitere Zwischenfälle verlaufen. Betrübt trugen die Auswanderer die Leiche der toten Magd an Land. Das totgeborene Kind von Dirck und Rebecca war noch in der Nacht über Bord geworfen worden.
Kapitel 26
War schon Rotterdam eine geschäftige und lebhafte Stadt gewesen, Gravesend übertraf sie noch. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend löschten die Hafenarbeiter Ladungen, verstauten Frachten und rüsteten Schiffe aus. Unablässig wurden Lasten bewegt, Kräne und Winden ächzten, Menschen keuchten, fluchten, erteilten Befehle und gaben Anweisungen weiter, neue Segel wurden angeschlagen, Beschläge erneuert, es wurde gesägt und gehobelt, es roch nach Schweiß, verdorbenem Proviant, Schmiedefeuern und Fett, Hufe klapperten und Karren quietschten.
James Claypoole begrüßte freudig die Reisenden. Er war erleichtert, dass sie es noch rechtzeitig geschafft hatten. Auch er hatte Landanteile in Pennsylvania gekauft und würde mit ihnen auf der »Concord« segeln. In den nächsten Tagen besorgten sie die letzten Dinge, die sie für die Überfahrt und die erste Zeit brauchen würden.
Sorgfältig überprüfte Claypoole ihre Listen, beantwortete geduldig alle Fragen und half ihnen, noch Gewünschtes zu erlangen.
»Der Kapitän ist ein anständiger Mann«, sagte Hermann am letzten Abend vor der Abfahrt. »Ich habe das Schiff besichtigt. Es ist viel größer als der Frachter, mit dem wir von Rotterdam aus gefahren sind. Ausreichend Platz für alle ist vorhanden, denn ein Teil der Kanonen wurden in den Laderaum verbracht.«
»Werden wir Betten haben?«, fragte Esther besorgt.
»Ja. Wir haben sogar Schlafräume. Vier habe ich bekommen können für einen geringen Aufpreis. Aber auch die anderen, die das nicht zahlen können, haben Kojen, wie sich die Betten wohl nennen.«
»Vier Schlafräume hast du?«, fragte Catharina. »Bedeutet das, dass die Kinder bei uns nächtigen müssen?«
»Ja. Es ist genügend Platz vorhanden, selbst für unsere beiden. Eure Tochter sollte doch kein Problem darstellen, sie ist doch noch klein«, sagte Hermann verblüfft. »Jedes Ehepaar hat einen Raum, Mutter und Margaretha teilen sich einen.«
»Nun ja, wir werden eine ganze Weile auf See sein, und wenn ich an die Überfahrt von Rotterdam denke, packt mich das Grauen.« Catharina schüttelte sich.
»Die ›Concord‹ ist um einiges größer und ganz sicher auch komfortabler, Schwägerin. Wir können froh sein, dass wir alle auf dem Schiff Platz finden und der Preis annehmbar ist.«
»Zahlen wir pro Person?«, fragte Abraham.
»Ja, Erwachsene zahlen fünf Pfund Sterling, Kinder unter zwölf zweieinhalb Pfund, und die beiden Säuglinge haben freie Überfahrt.«
»Welch ein Glück«, sagte Catharina. »Wirklich schade, dass Rebecca erst jetzt das Kind verloren hat. Wäre das noch in Krefeld passiert, hätten wir sie nicht mitnehmen brauchen.«
»Catharina!« Margaretha sprang entsetzt auf. »Wie kannst du so etwas sagen?«
Rebecca war aufgestanden und hatte den Raum verlassen, Margaretha eilte ihr nach.
»Schwägerin«, sagte Hermann ernst. »Wir werden eine langeZeit auf engem Raum zusammen sein, umgeben nur von Wasser. Das wird ganz sicher nicht einfach sein, für niemanden von uns. Deshalb sollten wir demütig sein. Demütig und friedfertig, so wie Gott es von uns erwartet. Gehässigkeiten und auch nur Sticheleien sind völlig fehl am Platz.« Er holte tief Luft.
»Ich habe es doch nicht böse gemeint, Hermann«, sagte Catharina.
»Ach nein? Vielleicht hast du es nicht böse gemeint, aber du hast
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