Die Heilerin
Kind trank, der Mutter ging es gut, der Vater zeigte seinen Stolz und seine Erleichterung.
»Wir sind noch nicht über den Berg, Mijnheer Kürdis. Aber wir können hoffen«, sagte sie zu ihm, als er sie zur Tür brachte. Es hatte wieder angefangen zu schneien, noch fielen nur vereinzelte Flocken, doch die dunklen Wolken hingen tief.
»Beeilt Euch, Mejuffer op den Graeff. Und noch mal herzlichen Dank für Euren Beistand.«
»Lasst Euch den Braten schmecken. Ich schaue morgen wieder vorbei.«
Sie eilte los. Am Waldrand konnte sie jemanden ausmachen. Das werden Hermann und Franz Daniel sein, hoffte sie. Sie müssen sich beeilen, damit sie noch rechtzeitig nach Hause kommen. Der Wind blies ihr nadelspitze Eiskristalle in das Gesicht, sie senkte den Kopf und stapfte, so schnell sie konnte. Erleichtert öffnete sie die Tür zu Hermanns Hütte, dampfende Wärme kam ihr entgegen, hüllte sie ein. Es roch nach feuchter Wolle, Holzfeuer und frischem Brot. Die Familie saß schon um den Tisch in der Küche. Zwei Kaninchenbaumelten, an den Hinterläufen aufgehängt, neben dem Kamin. Verwirrt sah Margaretha in die Runde, doch dann nahm Pastorius ihr den Mantel ab, und Rebecca reichte ihr einen Becher Würzwein.
»Wie geht es Mevrouw Kürdis?«, wollte Esther wissen.
»Gut und dem Kind auch.«
»Es waren zwei Kaninchen in den Fallen«, sagte Dirck.
Die Stimmen klangen durcheinander, jeder fragte etwas oder wollte etwas erzählen. Pastorius hob schließlich die Hände. »Lasst uns beten!«
Sie falteten die Hände, senkten die Köpfe zum stummen Gebet. Draußen heulte der Wind inzwischen um die Hütte, fing sich im Kamin, das Gebälk ächzte, und das Feuer loderte auf. Margaretha bemühte sich um die Zwiesprache mit Gott, doch immer wieder wanderten ihre Gedanken in eine andere Richtung. Elisabeth darf nicht zu viel von dem Milch bildenden Aufguss trinken, dachte sie, sonst entzündet sich die Brust. Das Kind ist noch klein und schwach, wir müssen es immer gut warmhalten. Lieber Gott, verzeih mir meine Gedanken.
Sie seufzte und versuchte wieder, sich auf Gott zu konzentrieren.
Zwei Kaninchen, dachte sie dann. Die Felle werden wir abziehen und gerben. Das Fleisch von den Knochen lösen. Viel Fleisch ist es ja nie. Von den beiden werden wir eine, höchstens zwei Mahlzeiten kochen können, die gerade mal für unsere Familien ausreichen. Auch die anderen haben Fallen ausgelegt. Vielleicht hatten auch sie Erfolg. Die Knochen können wir auskochen, doch ohne Sellerie, Wurzeln und Zwiebeln hat die Brühe kaum Geschmack. Nur gut, dass wir genügend Salz haben.
Lieber Gott, ich möchte dir danken und mich dir anvertrauen, doch all die Sorgen und die Nöte beschäftigen mich. Ich fürchte mich vor der Länge des Winters. Es ist so kalt hier, und es liegt so viel Schnee, mehr als bei uns zu Hause. Ja, guter Gott, ich weiß, dachte sie verzweifelt, dies isthier jetzt unser Zuhause, aber richtig wohl fühlt sich noch keiner von uns. Es ist so fremd und schwer. So haben wir uns es nicht vorgestellt. Lieber Heiland, du hast uns hierher geführt, uns diese Möglichkeit aufgezeigt, ein Leben im Glauben und ohne Restriktionen zu leben, aber ohne Nahrung wird es nicht gehen. Ich bin nur eine einfache Frau, möchte dir vertrauen, die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich alles zum Guten wendet.
Sie presste ihre Hände fest ineinander, versuchte sich tiefer in das Gebet zu versenken, doch dann kam ihr plötzlich ein Gedanke.
Als ich von Kürdis’ kam, habe ich jemanden am Waldrand gesehen. Dann habe ich meinen Kopf gesenkt und bin hierher geeilt. Die Brüder und Pastorius saßen aber schon um den Tisch, als ich die Hütte erreichte, sie müssen schon eine Weile vor mir angekommen sein. Wer aber war dann der Mann am Waldrand?
Sie öffnete die Augen, sah unruhig zur Tür.
»Amen!«, sagte Pastorius schließlich, nahm das Brot und brach es.
»War noch jemand mit euch in dem Wald bei den Fallen?«, fragte Margaretha.
Die Männer sahen sich an. »Nein, wieso?«
»Ich meine, dort jemanden gesehen zu haben, als ich von Kürdis’ kam.«
»Am Waldrand? Das kann eigentlich nicht sein. Wir waren schon spät dran, der Schneefall hatte schon eingesetzt. Überraschend war das nicht, die Wolken drohten ja schon den ganzen Tag mit Schnee. Als dann der Wind aufkam, wurde es höchste Zeit. Und auch die Nachbarn werden das erkannt haben.« Hermann schüttelte den Kopf.
Für einen Moment überlegte Margaretha, ob er sie nicht ernst nahm oder ob sie sich
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