Die Heilerin
gebrochenem Englisch. Er nahm seinen Umhang und humpelte nach draußen. Erst jetzt sah Margaretha, dass zweider Männer lange dünne Baumstämme mit sich führten. Birkenstämme, bemerkte sie. Zwischen diesen Stämmen war ein Tierfell gespannt. Darauf setzte sich Hololesqua nun wie in eine Art kurze Hängematte. Die Wilden riefen sich oder den Siedlern etwas zu, genau unterscheiden konnte Margaretha es nicht, dann nahmen sie das Gestell mit dem Verletzten auf und gingen in Richtung Waldrand.
»Jetzt ist er weg«, sagte Esther. »Er hat sich gar nicht bei dir bedankt.«
»Bedankt? Wofür?«
»Du hast ihn behandelt, seinen Fuß versorgt. Er hat dich nicht mit einem Blick gewürdigt.«
»Das tun sie wohl nicht, scheint mir. Er hat mich die ganze Zeit nicht einmal wirklich angesehen.« Margaretha runzelte die Stirn. »Ich hätte ihm gerne noch eine Tinktur mitgegeben.« Sie drehte sich flugs um, nahm den kleinen Krug mit der Tinktur aus ihrem Korb und lief den Wilden hinterher, ohne auch nur ihren Mantel zu nehmen. »Wartet«, rief sie. Die Wilden blieben stehen, Hololesqua schaute sie gleichgültig an. »Deine Wunde muss täglich verbunden werden. Und du musst das darauf tun, achtsam.« Sie sah ihn an, versuchte aus seinem Gesicht zu lesen, ob er sie verstanden hatte. Er nahm den Krug entgegen, nickte nur, schaute ihr aber nicht in die Augen, dann rief er etwas, und die Männer setzten sich wieder in Bewegung.
Margaretha sah ihnen nachdenklich hinterher, dann drehte sie sich um und ging zurück zur Hütte. An diesem Abend hatte sie wenig Zeit, um sich Gedanken zu machen. Die Knochen des Hirsches wurden ausgekocht, das Fell wurde abgeschabt, selbst die Hufe wurden gekocht, aus dem Sud konnte man Knochenleim gewinnen.
Margaretha und Rebecca reinigten die Stube, in der Mevrouw Kürdis ihr Kind entbunden hatte. Danach füllten sie die Würste, kochten diese. Bis tief in die Nacht waren alle beschäftigt.
Als sie fertig waren, begleitete Dirck die beiden Frauen zu ihrer Hütte.
»Catharina hat sich heute nicht sehen lassen«, stellte Rebecca fest.
»Natürlich nicht. Aber sie wird den Hirschbraten trotzdem nicht verschmähen.« Margaretha schnaubte. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu dem Wilden zurück. War es richtig, ihn so gehen zu lassen? Die Gefahr, dass die Wunde sich entzündete, bestand noch. Sollte das der Fall sein, würden die Wilden ihr die Schuld geben? Ja, auch die Wilden waren Menschen, aber ihre Sitten mochten andere sein. Sie fühlte sich verantwortlich für den Verletzten, so wie sie sich für alle verantwortlich fühlte, die sie behandelte.
Bis in den Schlaf verfolgten sie diese Gedanken. Sie träumte von den Wilden mit ihren prunkvollen Gewändern, dem auffälligen Kopfschmuck, ihrer weich und melodisch klingenden Sprache und ihren knappen Gesten.
Am nächsten Tag hatte sich der Himmel wieder zugezogen. Dicke Wolken kündeten neuen Schneefall an.
»Der Hirsch wird nicht lange reichen«, sagte Hermann besorgt. »Und wenn es jetzt wieder schneit, werden wir nicht jagen können.«
»Noch schneit es ja nicht.« Margaretha teilte jedoch die Sorge ihres Bruders. Wie es die Nächstenliebe verlangte, würden sie das Fleisch unter allen Siedlern aufteilen. Auch wenn sie sparsam damit haushielten und alles verwerteten, würde es kaum ein paar Tage vorhalten.
»Bevor es anfängt zu schneien, sollten wir die Fallen noch mal kontrollieren«, sagte Pastorius und griff nach seinem Mantel. Dirck und Hermann schlossen sich ihm an. Abraham hatte sich noch nicht blicken lassen.
»Catharina war heute Morgen hier, hat sich etwas Braten mitgenommen. Sie sagte, Abraham würde das Dach reparieren und Bretter für Möbel sägen.« Esther seufzte. »Ich möchte ja nicht hartherzig erscheinen, aber mich ärgert ihr Verhalten. Sienehmen, doch geben kaum. Zu Hermann darf ich so etwas nicht sagen, er will kein böses Wort über seinen Bruder hören.«
»Ob er es hören will oder nicht, du hast recht, und es ärgert nicht nur dich. Ich nehme an, dass es auch Hermann sauer aufstößt, aber er will keinen Zwist und keine Zwietracht in unseren Reihen.«
»Ja, Margret, natürlich. Doch müssen wir alles hinnehmen und ertragen?«
»Zumindest bis zum Frühjahr.« Sie nahm ihre Schwägerin in den Arm. »Es wird besser werden, sobald sich unsere Verhältnisse verbessern.«
Esther nickte. »Das hoffe ich sehr.«
Später am Tag ging Margaretha zu Kürdis’. Alles schien sich zu ihrer Zufriedenheit zu entwickeln. Das
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