Die Heilerin
hätten, und das taten sie nur wegen Euch.«
»Aber weshalb fürchtet Ihr sie nun?«
»Ich fürchte nicht die Lenape, ich sorge mich wegen der Susquehannock. Das ist ein anderer Stamm, sie sind wilder noch als die Lenape, mehr Krieger als Jäger. Hololesqua berichtete, dass sie hin und wieder seinen Stamm überfallen.«
»Die einen Wilden überfallen die anderen?«, fragte Margaretha ungläubig.
»Die Spanier greifen ja auch die Franzosen an, weshalb sollte das hier nicht so sein?« Pastorius schüttelte den Kopf. »Das sind Fehden, mit denen wir nichts zu tun haben und die wir vermutlich auch nicht verstehen. Meine Sorge ist es, unvermutet überrascht zu werden.«
Margaretha dachte über seine Worte nach.
»Wisst Ihr«, sagte sie dann leise, »ich suche das Grab meiner Mutter regelmäßig auf.«
»Ja.« Pastorius senkte den Kopf.
»Manchmal gehe ich morgens früh, nachdem ich das Brot in den Ofen geschoben, den Brei auf den Herd gestellt habe. Dann sind die Vögel gerade erwacht, trällern ihren Gruß an den Tag. Die Luft ist rein und klar, meine Gedanken auch. Dann gehe ich zum Friedhof und bete. Hin und wieder gehe ich auch nach dem Abendbrot, ich gehe einfach weiter, nachdem ich Hermanns Hütte verlassen habe, gehe an Dircks Behausung vorbei, den Weg entlang bis dorthin. Es ist dann immer besonders friedlich und ruhig, und ich kann meine Gedanken sammeln.« Sie schluckte verlegen. »Jonkie begleitet mich, ich bin nicht ganz allein.«
Pastorius nickte. »Ich kann Euch verstehen. Die Enge und der Trubel in den kleinen Hütten lassen einem kaum Raum für Gedanken.«
»Ja. Aber weshalb ich Euch das erzähle, ist, so manches Mal meinte ich, jemanden zu sehen. Am Waldesrand oder hinter den Büschen. Es war immer nur ein Hauch einer Bewegung im Augenwinkel, und wenn ich mich umdrehte, war dort niemand.« Sie hielt kurz inne, dachte nach. »Das klingt verrückt, nicht wahr? Und dennoch wusste ich, dass dort jemand ist, dass mich jemand beobachtet. Aber bedroht habe ich mich nie gefühlt, eher beschützt. Ich war mir fast sicher, dass dort jemand von den Lenape stand und auf mich aufpasst.« Sie lachte leise, senkte den Kopf und spürte die Röte der Scham in ihre Wangen steigen. »Jetzt haltet Ihr mich für albern und überdreht.«
»Durchaus nicht. Des Öfteren habe ich Euch hinterher geschaut, wenn Ihr die Hütte verlassen habt. Ich machte mir Sorgen um Eure Sicherheit. Doch dann habe ich auch einen Krieger der Lenape am Waldrand stehen sehen, das Augenmerk auf Euch gerichtet. Sie passen auf Euch auf, sie passen auf uns alle auf, so will es mir scheinen.«
Margaretha nickte, dann lächelte sie schelmisch. »Sorgen müsst Ihr Euch nicht um mich. Ich bin schon groß.«
»Ihr seid viel unterwegs«, sagte Pastorius immer nochernst. »Ihr geht in die Wälder, um Kräuter zu sammeln, geht die Kranken und Schwachen versorgen, die Mütter und die kleinen Kinder. Ihr seid nachts unterwegs, wenn ein Kind kommt oder jemand Eure Hilfe braucht. Oft macht Ihr Euch alleine auf den Weg, nur begleitet von Eurem Hund.« Er biss sich auf die Lippe. »Ihr tut dies ohne zu klagen und seid mutig obendrein. Ich bewundere das.«
»Aber so sehe ich das nicht, Franz Daniel. Es ist doch meine Pflicht, dies zu tun. Meine Mutter hat es ebenso getan, und ich folge nur ihren Spuren.« Sie senkte den Kopf. Der Gedanke an Gretjes Tod tat ihr immer noch weh, auch wenn sie wusste, dass ihre Mutter nun erlöst war.
Pastorius schien ihren Kummer zu spüren, er trat zu ihr und legte vorsichtig seine Hand auf ihre Schulter. »Ich wollte Euch nicht traurig machen. Nein, im Gegenteil, ich wollte meine Bewunderung zum Ausdruck bringen. Ihr seid eine mutige Frau.« Er hielt inne, räusperte sich verlegen.
»Ich bin gar nicht so mutig«, wisperte Margaretha und wandte sich zu ihm. Für einen Moment sahen sie sich an, ihre Blicke schienen ineinander zu versinken. Dann zog er sie in seine Arme, küsste sie. Erst sanft und behutsam, dann immer begehrlicher. Margaretha erwiderte den Kuss, es schien ihr ganz natürlich, sein Mund war warm und hungrig. Schließlich lösten sie sich atemlos voneinander.
»Margret …« Sie sahen sich an, dann wich er ihrem Blick aus, schüttelte den Kopf. »Lieber Gott, was habe ich getan«, murmelte er. »Es tut mir leid, Margret.«
Fassungslos schluckte sie. »Es tut dir leid?« Sie lachte rau auf, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Wieso?«
»Wieso? Wie kannst du so etwas fragen?« Er senkte den
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