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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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einfache Weber, es sind Arbeiter, Küfer, Bierbrauer und anderes. Die Familien sind groß. Ihr wisst doch, welche Zustände in der neuen Stadt herrschen, wenig Raum, viele Menschen, Gestank und Enge. Das kann nicht so weiter gehen. Das weiß der Magistrat auch.«
    »Schon seit Jahren wird über eine Stadtauslagerung, eine Erweiterung diskutiert«, wandte Hermann ein.
    »Das ist richtig, aber dafür fehlt das Geld. Eben weil wir, und mit uns die Stadt, uns von dem Kriegsdienst freikaufen konnten, fehlt Geld in der Stadtkasse. Eine Erweiterung kostet. Notwendig wird sie ohne Zweifel, aber wer soll es bezahlen? Der Magistrat möchte unsere Gemeinde haftbar machen. Wir sollen die Auslagerung bezahlen. Doch wie soll das gehen? Natürlich gibt es einige Familien wie die unsere, die gut verdienen. Reich sind wir damit nicht. Die Mehrheit der Gemeindemitglieder ist jedoch arm und auf unsere Zuteilungen jetzt schon angewiesen.« Er zog schnaufend an der Tonpfeife. »Damit nicht genug. Obwohl der Franzose den Krieg eigentlich verloren hat, nehmen nun die Trends von seinem Hofstaat immer mehr zu. Das konnten wir schon in den letzten Jahren beobachten, aber nun ist er nicht mehr der Feind. Die Reformierten nehmen das zum Anlass und wollen ein rauschendes Neujahresfest feiern. Galanterie nennt man es – gottesfürchtig und schlicht ist es nicht.«
    »Die Reformierten.« Abraham schnaufte. »Wie viele sind das hier in der Stadt? Die kann man an der Hand abzählen.«
    »Richtig, mein Sohn, und jeder von ihnen hat ein Amt.«
    »Aber wir wollen doch keine Ämter. Ich halte das für einen
    Fehler, wir müssen uns einbringen«, wandte Dirck ein.
    »Ämter sind nicht gottgefällig.« Isaak schüttelte den Kopf. »Ich sehe schwere Zeiten auf uns zukommen. Jetzt schon habe ich Verbindung zu den Cousins in Amsterdam aufgenommen. Dort und in Rotterdam laufen die Fäden zusammen. Möglicherweise müssen wir längerfristig eine andere Bleibe suchen.«
    Gretje ließ das Flickwerk sinken. »Isaak, nein«, flüsterte sie.
    »Wir müssen hier weg?« Margaretha riss die Augen auf. »Godallemachtig, bitte nicht.«
    »Langfristig. Nicht dies Jahr oder nächstes. Ich frage nur mal an, wo wir willkommen sein könnten. Es wird nicht einfacher, es wird schwieriger.« Isaak stopfte die Pfeife nach.
    »Manche Dinge muss man aussitzen«, meinte Abraham leise. »Stell dir vor, alle Mennoniten würden die Stadt verlassen, wer bliebe übrig? Eine Handvoll Reformierter, alles Bürger, und viele katholische Arbeiter. In der Mittelschicht wäre kaum noch jemand. Kein Gewerbe, kein Handel, keine Stadt, keine Steuern, kein Einkommen. So dumm sind die Reformierten auch nicht. Sie wollen uns vielleicht mit ihrer Galanterie, ihren Festen und Prunk reizen, die Frage ist doch nur, lassen wir es zu? Lassen wir uns reizen? Da steht ein güldenes Kalb, aber müssen wir um es tanzen? Nein, müssen wir nicht, wir ignorieren sie einfach.«
    »Das ist nicht alles, mein Sohn«, sagte Gretje. »Dein Vater hat recht. Ein kalter und strenger Winter steht bevor, alle Zeichen deuten daraufhin. Gerade unsere Brüder und Schwestern leben in engen Verhältnissen, sind der Armut ausgeliefert. Dort werden am schnellsten Krankheiten ausbrechen. Sicher auch bei den Armen der Katholiken, aber sie gab es schon immer. Die Mennoniten sind relativ neu in der Stadt. Sie werden zum Sündenbock gemacht werden. Das macht mir Angst.«
    »Können wir irgendetwas dagegen tun, Mutter? Du kennst doch Mittel und Tinkturen …«, fragte Hermann.
    »Ach, Junge, es geht doch nicht um Heilkräuter.« Gretje schüttelte schnalzend den Kopf. »Es geht um Armut, Hunger, Kälte und darauf folgende Krankheiten. Ich bin froh, wenn ich uns und die Gesellen, Lehrjungen und die Magd gesund und satt über den Winter bekomme. Zwanzig oder dreißig weitere Familien können wir nicht durchfüttern. Mit Frau ter Meer und der Familie von Beckerath stehe ich in Verbindung, wir wollen eine Art Suppenküche für die Gemeinde insLeben rufen. Aber einfach wird das nicht. Nach Martini weiß ich mehr, da sehen wir, wie das Schlachtergebnis ist.«
    »Jetzt habe ich es verstanden.« Hermann fuhr sich durch die Haare. »Das sieht tatsächlich arg übel aus. Weißt du denn, wie die Vorratshaltung bei unsern ärmeren Brüdern und Schwestern ist?«
    »Nicht genau. Die meisten haben keinen Wallgarten. Das macht sie abhängig vom Markt. Der frühe Frost hat einiges an Ernte verdorben. Die Preise steigen, aber viel Geld steht ihnen

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