Die Heilerin
fragte Isaak.
»Schwer zu sagen. Ich gehe gleich wieder nach drüben und schaue nach ihr. Ziemlich sicher wird sie das Kind verlieren.«
»Das ist ja furchtbar«, murmelte Margaretha.
»Ja, aber vielleicht bleibt wenigstens sie am Leben. Die Schwangerschaft kostet sie noch zusätzliche Kraft.«
»Sind denn noch weitere Familienmitglieder der Kunders betroffen?«
»Bisher nicht. Ich halte sie an, viel Brühe zu trinken. Doch wer weiß, was in den nächsten Tagen passiert. Mevrouw Kunders erzählte, dass es in der Neuen Stadt einige Todesfälle gegeben hat, meist Kinder oder geschwächte Ältere. Nochscheint es sich in Grenzen zu halten. Das mag daran liegen, dass die Abwassergräben zugefroren sind.«
Nach dem Frühmahl holte Gretje verschiedene Kräuter und Wurzeln aus ihrer Vorratskammer, bereitete Aufgüsse und Tinkturen zu, nahm sie mit zu den Nachbarn.
Margaretha kümmerte sich um den Haushalt. Die Wäsche war getrocknet und musste zusammengelegt werden, die Stube gefegt. Sie ging in Gedanken die Vorräte durch und überlegte, ob sie alles für das Weihnachtsfest besorgt hatten. Dann setzte sie Lebkuchen- und Pastetenteig an, bereitete eine würzige Honigmarinade für den Schinken zu und legte ihn darin ein. Zwischendurch lief sie immer wieder zur Tür, schaute die Straße entlang, doch ein Pferdegespann war nicht zu sehen.
Gegen Mittag wurde sie immer fahriger. Was, wenn Rebecca gar nicht käme? Wenn sie oder ihr Vater es sich anders überlegt, Zweifel bekommen hätten? Sie nahm Zwiebeln, häutete diese und schnitt sie klein für das Abendmahl. Das Messer rutschte ab, und Margaretha schnitt sich tief in den Daumen.
»Potdomme«, fluchte sie leise und drückte ein Tuch auf die Wunde. Ihr wurde schwindelig. Sie setzte sich auf die Bank. Plötzlich stiegen ihr die Tränen in die Augen, die ganze nervöse Anspannung, die sie in den letzten Tagen gespürt hatte, fiel von ihr ab. Erschöpfung machte sich in ihr breit. Sie ließ den Kopf auf die schrundige Tischplatte sinken und weinte haltlos. Dass die Haustür sich öffnete, hörte sie nicht. Doch dann drang eine Stimme zu ihr.
»Wie schön, dass du da bist. Wir freuen uns alle sehr und können deine Hilfe gut gebrauchen. Komm mit, hier entlang geht es«, sagte Gretje.
Margaretha fuhr hoch. Ihr Daumen pochte schmerzhaft, das Tuch war inzwischen blutgetränkt, immer noch liefen ihr die Tränen aus den verquollenen Augen. So mochte sie ihrer Mutter und der neuen Magd nicht begegnen. Rasch schlüpfte sie durch die Tür in den Hof. Dort war es kalt und zugig. Verzweifelt sah sie sich nach einem Fluchtort um, eilte schließlichzum Stall. Es roch nach Heu und Pferd, in dem großen Fass dufteten süßlich die schrumpeligen Futteräpfel. Im Stroh raschelte es, die Stute schnaubte laut.
Margaretha ließ sich auf einen Ballen Stroh fallen. Sie hatte das Gefühl, für nichts mehr Kraft zu haben. Zu ihrem Entsetzen hörte sie nun Gretjes Stimme im Hof.
»Hier entlang, dort ist der Stall. Im Sommer sind die Hühner dort hinten im Gehege, im Winter kommen sie in den Stall. Nachdem das Schwein geschlachtet wurde, haben wir ja Platz. Wunderbar, dass Ihr Legehennen mitgebracht habt. Und auch die anderen Sachen können wir gut gebrauchen.« Gretje ging auf die Stalltür zu.
Und nun, dachte Margaretha verstört, wo kann ich nun hin? Panisch sah sie sich um. In die Box zum Pferd? Es würde unruhig werden, und auch dort hatte sie keine wirkliche Möglichkeit, sich zu verstecken. Ihr Blick fiel auf die Leiter, die zum Heuschober führte. Flugs kletterte sie hinauf, verbarg sich im Heu.
»Ich weiß gar nicht, wo unsere Margret ist«, sagte Gretje munter. »Aber weit kann sie nicht sein. Sie hat sich so auf dich gefreut, Rebecca.«
Die neue Magd murmelte etwas.
»Wohin mit den Hennen?«, fragte mit rauer Stimme der Knecht.
»Dort drüben.«
Die Hennen stoben laut gackernd auseinander, als der Knecht die neuen Hühner in das Gehege entließ.
»Den Grünkohl und die Zwiebeln legt in den Hof. Wir werden die Dinge nachher verstauen. Ich zeige Euch, wohin Ihr die Sachen des Mädchens bringen könnt.«
»Und was ist mit dem Hund? Habt Ihr ein Gehege für ihn?«, fragte der Knecht unwirsch.
»Hund? Welcher Hund?«
Margaretha zuckte zusammen. Hatte ihr Vater nicht mit der Mutter über die Hündin gesprochen? Spätestens jetzt hättesie hinunterklettern müssen, aber sie konnte sich nicht überwinden. Stattdessen presste sie die Faust vor den Mund, unterdrückte das
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