Die Heilerin
Jetzt zwischen den Jahren ruhen die Webstühle und die Arbeit. Endlich kann ich mich auch einmal ausruhen. Die Jungen sollen Wasser heißmachen, ich werde ein Bad nehmen. Das habe ich mir verdient. Ich schicke jemanden mit Brühe hoch und komm später nach dir schauen.«
»Ja, Moedertje«, sagte Margaretha leise. Vor dem Fenster hingen Eiszapfen, das Sonnenlicht brach sich in ihnen und ließ sie wie Edelsteine funkeln. An dem Anblick hielt sich Margaretha fest.
Ihre Mutter verließ den Raum, und für eine Weile kämpfte Margaretha mit den Tränen, fühlte sich überflüssig. Doch dann pochte es leise an der Tür.
»Margret.« Hermann spähte in die Kammer. »Mutter sagt, es gehe dir besser?«
»Ja.«
»Schön. Denn jemand sitzt seit zwei Tagen vor deiner Tür und jammert. Mutter wollte keine Störung.«
»Wer denn?«
»Na, wer wohl? Jonkie.« Hermann öffnete die Tür, und die junge Hündin stob ins Zimmer, sprang nach kurzem Zögern auf das Bett und leckte Margarethas Hände.
»Liefje, was machst du denn hier?« Margaretha streichelte das weiche Fell des tapsigen Tieres.
Hermann lachte. »Na, was wohl? Hier wird alles nach dir riechen. Du hast seit Wochen den Haushalt gemacht, mit aller Kraft. Hunde sind treue Begleiter, und dich kennt sie noch vom Platenhof. Nur so kann ich mir erklären, dass sie immerzu nach dir gesucht hat.«
»Aber Rebecca …«
»Ja, Rebecca ist auch da. Sie ist wie ein Wirbelwind. Aber der Hund hat sich immer nach hier oben geschlichen und vor deine Tür gelegt.« Hermann setzte sich auf den Stuhl, griff Margarethas Hände. »Zusje, wie geht es dir? Ich habe mich so um dich gesorgt.« Margaretha entzog ihm die linke Hand, sie schmerzte unter Druck. Natürlich, dachte sie, ich habe mich geschnitten, dort in die Hand. Aber was war dann? Sie hatte kaum noch Erinnerungen.
»Ich habe mich geschnitten.«
»Ja, Meisje, aber davon bekommt man kein Fieber. Oder jedenfalls nicht direkt.« Hermann lachte leise, wie es seine Art war, drückte ihre rechte Hand. »Mutter meinte, es wäre einfach zu viel für dich gewesen die letzten Wochen. Wir alle fühlen uns schuldig.«
»Onzin.« Margaretha senkte den Kopf. Dieses Gespräch war ihr unangenehm. Sie hatte nur ihre Pflicht getan. Wäre die Mutter gestorben, hätte sie dasselbe tun müssen, nämlich den Haushalt führen. Und Leben oder Tod lag in Gottes Hand. »Ich habe nur meine Pflicht getan.«
Plötzlich knarrte die Tür wieder, der Kater schob seinen Kopf zwischen Türblatt und Rahmen. Er maunzte leise, fauchte dann, als er die Hündin wahrnahm.
»Nun, nun«, sagte Margaretha beschwichtigend. »Jonkie ist doch noch klein.« Sie nahm den Hund, hielt dessen Schnauzemit der einen Hand, klopfte mit der anderen auf die Decke. »Komm.«
Für einen Moment zögerte der Kater, dann sprang er auf das Bett, fauchte die Hündin an, rollte sich schließlich zufrieden zusammen. Margaretha ließ den Hund vorsichtig los, er fiepte leise, klemmte die Rute zwischen die Hinterläufe und legte sich an Margarethas Füße. Der Kater schnurrte, es klang triumphierend.
»Du hast alle im Griff, Zusje.« Hermann lachte. »Nun müssen wir dich nur noch wieder auf die Beine bekommen. Aber sicherlich nicht heute. Ich schicke Dirck mit Speisen und Wein.« Er küsste sie auf die Stirn, bevor er ging.
Margaretha lehnte sich zurück. Ihr war schwindelig, der Kopf pochte. Es war Weihnachten, und sie lag krank im Bett. Sie fühlte sich schuldig, aber auch erschöpft. Und doch sehnte sie sich, mit der Familie unten in der Stube zu sitzen, zu reden oder einfach nur den anderen zuzuhören. Die Männer würden über Politik und die Wirtschaftslage diskutieren, Gretje würde Strümpfe stopfen. Hin und wieder würde ihre Mutter sacht und ruhig, wie es ihre Art war, eine Bemerkung fallen lassen und die Diskussionen in eine andere Richtung lenken. In den letzten Jahren war Eva im Mittelpunkt gewesen. Um sie hatte sich alles beim Weihnachtsfest gedreht. Ihr fröhlich glucksendes Lachen, die strahlenden Augen, ihre Verwunderung und Freude hatten alle reichlich beschenkt. Nun war sie nicht mehr da. Wie mochte die Stimmung sein? Doch bevor Margaretha weiter grübeln konnte, war sie eingeschlafen.
Kapitel 13
Am nächsten Morgen ging es Margaretha schon besser. Sie aß mit gesundem Appetit, wusch sich, zog sich frische Sachen an. Gretje bestand darauf, dass sie noch in ihrer Kammer blieb.Die Brüder kamen, um nach ihr zu schauen, nahmen den Hund mit und ließen ihn in den Hof.
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