Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
über alles informiert sein, was bei den Nachforschungen herauskommt, damit ich der Gräfin berichten kann. Und ihr werdet nie wieder einen Schritt auf den Burgsitz machen, sonst werdet ihr sofort verhaftet. Dann hat die Stadt keinerlei Möglichkeit mehr, euch zu beschützen. Da können weder der Bürgermeister noch die Äbtissin oder der Bischof etwas tun. Die Schauenburger sind hier die Herren.«
»Dann werden Johann von Rottorf und Ulrich von Engern doch auch noch von euch unterrichtet?«, fragte Agnes.
»Natürlich!«, donnerte der Verwalter.
»Da bin ich gespannt, was die dazu sagen werden.«
Konrad Silixen ignorierte diese Bemerkung und fragte: »Was habt ihr bisher erfahren? Wir wollen hier und jetzt einen Bericht.«
Ludolf und Agnes atmeten tief durch und berichteten im Groben von den bisherigen Ergebnissen. Sie verschwiegen aber wohlweislich ihre Schlussfolgerungen in Bezug auf den Missbrauch Marias und das Schicksal der Nonnen im Kloster.
Als sie zum Ende gekommen waren, ergriff der Verwalter wieder das Wort: »Das mit dem Holzdiebstahl ist dummes Geschwätz. Ich hatte auch schon davon gehört und bin dem natürlich auf der Stelle nachgegangen. Aber es stellte sich als Ammenmärchen heraus. Es ist reine Zeitverschwendung, wenn ihr euch damit beschäftigt. Aber der Freund Kuniberts sucht nur nach einer dummen Ausrede. Den solltet ihr lieber im Auge behalten. Der will nur von seinen eigenen Verstrickungen ablenken.«
»Das war alles«, sagte der Bürgermeister und zeigte mit einer Handbewegung an, dass die jungen Leute nun entlassen seien.
Doch Ludolf ließ sich nicht so einfach wie ein Laufbursche abspeisen. Ihm kam die Sinnesänderung zu plötzlich. Vorgestern waren alle nötigen Nachforschungen in die Hand von vier Personen gelegt worden – ohne Wenn und Aber. Und nun? Vorhin hatte sich Ulrich gegen die Nachforschungen gestellt, jetzt diese beiden. Warum wollten die Rintelner verhindern, dass in gewisse Richtungen gesucht wurde? Er reagierte nicht auf den Hinauswurf und blieb einfach stehen.
»Gestern schien es uns nicht so, dass die Gräfin über unseren Besuch nicht erbaut war. Sie hat uns ihre volle Unterstützung zugesichert.«
Konrad Silixen antwortete in einem abfälligen Ton: »Was wisst ihr schon über die Herrin? Ich kenne sie besser als ihr.«
Ludolf kratzte sich am Kinn und zog ein Gesicht, als würde er angestrengt nachdenken. »So etwas aber auch. Woher wisst ihr denn, was besprochen wurde? Ihr seid doch von der Gräfin hinausgeschickt worden.«
»Ihr seid ganz schön frech!« Er hob warnend den Finger. »Sie hat hinterher mit mir gesprochen.«
»Aber warum hat die Gräfin es nicht uns gleich gesagt?«
Silixen und Prutze wurden immer ärgerlicher.
Der Verwalter antwortete: »Nur weil mein tatteriger Onkel Nikolaus dabei war, hat sie nichts gesagt. Ihr solltet euch aber lieber von dem Alten fernhalten. Er bildet sich zu viel auf seine ehemalige Stellung ein. Er meint, die hochverehrten Graf und Gräfin hörten noch auf sein Wort. Man kennt das ja, im Alter werden die Leute etwas spinnerich.« Dabei machte er mit dem Finger eine kreisende Bewegung an seiner Schläfe. »Merkt euch, was ich euch gesagt habe. Wenn ihr euch nicht daran haltet, lasse ich euch einkerkern.«
Ludolf und Agnes beließen es lieber dabei, obwohl ihnen noch eine Bemerkung auf der Zunge lag. Die Antwort hätte jetzt nur unnötigen Ärger und neue Probleme gebracht. Sie mussten ab jetzt noch vorsichtiger mit ihren Nachforschungen sein, sonst würde ihnen der Fall irgendwann ganz aus der Hand genommen. Sie verließen das Rathaus.
Wem konnten sie jetzt noch vertrauen? Von Engern, Silixen und Prutze hatten sich offen gegen sie gestellt – warum auch immer. Greta von Hattelen hütete ein gefährliches Geheimnis im Kloster, Bassenberg wünschte sich eine Heilige und Johann von Rottorf trieb womöglich ein doppeltes Spiel wegen der schwindenden Macht des Mindener Domkapitels. Wer blieb übrig? Natürlich Ludolfs Vater, Agnes hoffte auch auf ihren Onkel, dann Nikolaus Binder und höchstwahrscheinlich Mathilde von Braunschweig. Denn die Behauptung des Verwalters, dass die Gräfin nicht mehr belästigt werden wolle, konnten die beiden nicht glauben.
»Wir sollten vielleicht noch einmal mit Binder reden«, schlug Ludolf vor. »Vielleicht kann er herausfinden, was in Silixen gefahren ist und ob die Gräfin wirklich so ablehnend ist. Außerdem glaube ich, dass der Bürgermeister nur aufgrund der Zuflüsterungen des
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