Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder
unbewusst – tyrannisch benehmen.« (Ebd. 11) Jung spricht vom Haken in der Person,auf die ich projiziere. Ich werde das Bild des Tyrannen nicht einem sanften Menschen anhängen, sondern eher einem, der ein gewisses Selbstwertgefühl hat. Das Selbstbewusstsein ist dann der Haken, an dem ich meine Projektion aufhänge. Ich meine dann, ich würde in diesem Chef einem Tyrannen begegnen. In Wirklichkeit begegne ich nur dem Bild, das ich ihm angehängt habe. Eine wichtige Aufgabe ist es nach Jung daher, sich seiner Projektionsbilder bewusst zu werden und den anderen Menschen unabhängig von den Bildern zu entdecken, mit denen ich sein wahres Selbst zugestellt habe.
ÜBUNG:
Schaue dir die Verletzungen an, die du in letzter Zeit durch andere Menschen erfahren hast. Dann frage dich: Hat mich dieser Mensch bewusst verletzt? Oder hat er meine Vorstellung nicht erfüllt, die ich von ihm habe? Bin ich von ihm enttäuscht, weil er so ganz anders ist als ich mir es vorgestellt habe? Hat es mich verletzt, dass er meine Erwartungen nicht erfüllt hat? Oder was hat mich eigentlich verletzt? Ganz gleich, was dich verletzt hat, stelle dir vor, du segnest diesen Menschen. Du hältst deine Hände vor dich hin, so dass die Handinnenflächen nach vorne weisen. Stelle dir vor, dass Gottes Segen jetzt durch deine Hände zum anderen strömt. Gottes Segen löst langsam das Bild auf, das du dir von ihm gemacht hast. Er bringt dich in Berührung mit dem Menschen, der hinter dem Bild steht. Dann erlebst du diesen Menschen anders. Er ist nicht mehr der, der dich verfolgt, der dich verletzt, sondern einer, der des Segens bedarf. Er ist ein gesegneter Mensch. Das ist ein anderes Bild, durch
das du dich seinem wahren Wesen viel mehr näherst als durch das Bild des Verfolgers oder Verletzers, das du vorher von ihm hattest.
Überflieger, Perfektionisten, Depressive
Daniel Hell, der Schweizer Psychiater und Depressionsforscher, meint: Depressionen sind oft ein Hilfeschrei der Seele gegen übertriebene Bilder, die wir von uns selbst haben. Da ist etwa das Bild: Ich muss immer perfekt sein, immer cool sein, immer alles im Griff haben, immer erfolgreich sein und immer alles positiv sehen. Die Depression rebelliert gegen diese falschen Bilder, die letztlich Illusionen sind, die uns nicht gut tun. Wir sollen dankbar sein, wenn unsere Seele auf die krankmachenden Bilder reagiert. Sie lädt uns mit ihrer Reaktion dazu ein, uns von diesen Bildern zu verabschieden. Viele gehen heute mit solchen krankmachenden Bildern zur Arbeit. Sie haben das Bild: Hoffentlich schaffe ich alles, was von mir erwartet wird. Oder es ist das Bild des perfekten Arbeiters, der immer wach ist und immer alles sofort erfüllt. Dann setze ich mich bei allem, was ich tue, unter Druck. Ich will es perfekt machen und zugleich ist es nie gut genug für mich. Ich verbrauche viel zu viel Energie für kleine Aufgaben, weil ich sie alle perfekt erledigen möchte. Andere gehen mit Bildern in die Arbeit: Was denken die anderen von mir?Hoffentlich sind sie mit mir zufrieden. Ein anderer geht mit dem Bild des Hamsterrades in die Arbeit. Er kann strampeln, soviel er will. Er gelangt doch nie ans Ziel. Solche Bilder überfordern uns und führen dann oft zum Burn-out. Burn-out ist immer auch eine Einladung, über die eigenen Bilder nachzudenken, mit denen ich lebe. Die Depression, die oft mit Burn-out verbunden ist, hat immer einen Sinn. Ich muss sie befragen, was sie mir sagen möchte. Vielleicht möchte sie mich hinweisen, dass ich mich von zu großen Bildern verabschieden soll.
Eine depressive Frau erzählte mir, dass sie ihre Eltern immer als eng und kleinkariert erlebt hat. Sie hat sich in die Bücher geflüchtet und ist darin aufgeblüht. Im Bücherlesen hat sie eine andere Welt entdeckt, die ihrer inneren Weite entsprochen hat. Aber sie hat die Enge ihrer Eltern total abgelehnt. Sie hat sich von den Wurzeln abgeschnitten, die die Eltern für sie darstellen. Immer wenn sie die Eltern getroffen hat, hat sie sich mit ihnen gestritten, sie belehrt, auf sie herab geschaut. Jetzt ist sie depressiv geworden. Sie erkennt, dass sie nun genauso eng wird wie die Eltern. Die Depression lädt sie ein, sich mit der Enge auszusöhnen, die ihr von den Eltern her zukommt. Sie hat teil an der Enge ihrer Eltern, aber auch an der Fähigkeit, wie sie ihr Leben bewältigt haben. Sie muss sich befreien von den negativen Bildern, die sie von ihren Eltern in sich trägt. Und sie muss das Bild der
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