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Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder

Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder

Titel: Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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besonderen Draht zum Übersinnlichen habe, schade ich dem Kind nur. Dann blähe ich sein Ego auf. Es ist wichtig, das Kind zu loben und mit guten Worten das Gute in ihm zu wecken. Aber wenn ich alles in zu grellen Tönen preise, führt das zur Selbstüberschätzung, zu Bildern, die das Kind letztlich überfordern. Oft wollen Eltern mit solchenzu großen Worten ihrer eigenen Wahrheit aus dem Weg gehen. Und sie stellen sich dann den alltäglichen Auseinandersetzungen mit dem Kind nicht. Sie flüchten in eine Scheinwelt, in der alles wunderbar und außergewöhnlich ist. Damit versetzen sie auch das Kind in eine Scheinwelt, in der es auf Dauer nicht zurecht kommen wird.
     
    Oft sind es aber nicht die Worte der Eltern, die dem Kind zu große Bilder überstülpen. Manchmal sind es einfach Erfahrungen, die das Kind macht und auf die es mit inneren Bildern reagiert. Das Kind wählt sich selbst ein Bild aus, das ihm hilft, die Situation zu bewältigen. Aber manchmal wird dieses Bild dann irgendwann zu groß. Dann wäre es heilsam, ein angemessenes Bild in sich zu entwickeln. Ich habe einen Priester begleitet, der mir folgende Geschichte erzählte: Als er selbst zwölf Jahre alt war, ist sein Bruder, der gerade vor der Heirat stand und den elterlichen Hof übernehmen sollte, beim Hausbau tödlich abgestürzt. Der Vater ist aus Gram über den Tod seines Sohnes und Hofnachfolgers ein Jahr später selber gestorben. Nun war er mit seiner Mutter allein. Er hatte das Gefühl, er müsse nun der Sonnenschein seiner Mutter sein. Dieses Bild hat ihm geholfen, die Trauer über den Tod seines Bruders zu überwinden. Und dieses Bild hat auch seiner Mutter geholfen. Der Sohn hat seine Mutter in ihrer Zeit der Trauer getröstet, indem er mit seinem Sonnenschein ihre dunkle Seele erhellt hat. Das Bild tat auch dem Sohn gut. Im Priesterseminar, in seinen ersten Gemeinden, in denen er als Kaplan wirkte, war er überall der Sonnenschein. Er war beliebt bei allen und glücklich. Das Bild war also für ihn jahrelang heilsam. Es hat ihm geholfen,mit seinen 13   Jahren die Trauer über den Tod seines Bruders und seines Vaters zu bewältigen. Und es war eine gute Strategie, sich überall beliebt zu machen. Doch als er in der Lebensmitte war, passte das Bild nicht mehr. Jetzt überforderte es ihn. Diese Überforderung erlebte er ganz massiv, als er in eine Pfarrei kam, die in sich völlig gespalten war. Da kam er mit seinem Bild des Sonnenscheins an eine Grenze. Er brach psychisch und körperlich völlig zusammen. Das Bild stimmte nicht mehr. Er konnte noch so sehr für die Menschen als Sonne scheinen. Das löste den Konflikt nicht. Er musste sich erst von diesem zu großen Bild verabschieden, um dann seine Aufgabe als Priester gut erfüllen zu können. Es war ein schmerzlicher Prozess, das Bild des Sonnenscheins loszulassen und ein realistisches Bild für sich zu entwickeln. Dabei darf man das alte Bild nicht einfach wegwerfen. Es muss nur relativiert werden. Manchmal durfte und darf er erfahren, dass er Sonnenschein für andere ist. Aber manchmal darf es auch dunkel in ihm sein. Er steht nicht unter dem Druck, alles erhellen zu müssen. Er darf sich auch gönnen, einfach nur für sich zu sein, ohne in anderen etwas bewirken zu müssen. Wenn die anderen streiten, ist das deren Problem. Er muss nicht jeden Konflikt als persönliche Beleidigung erfahren. Er braucht die Abgrenzung. Die Sonne scheint immer. Sie ist grenzenlos. Aber wir haben Grenzen. Und wir können nicht immer Sonne ertragen. Wir brauchen auch die Kälte und die Dunkelheit, in der wir uns zurückziehen und für uns sorgen.
     
    Ein anderer junger Mann hat als Kind miterlebt, wie seine Schwester vom Auto überfahren wurde. Er hat denSchmerz der Mutter instinktiv gespürt. Das hat in ihm das Bild hervorgerufen, Trost der Mutter zu sein. Dieses Bild hat ihm und seiner Mutter lange Zeit geholfen, über den Tod der Tochter hinwegzukommen. Doch irgendwann war das Bild für ihn nicht mehr heilsam. Trost der Mutter zu sein bedeutet: Ich darf sie nicht enttäuschen. Als er eine Prüfung nicht bestand, brachte er es nicht über sich, das seiner Mutter zu gestehen. So hat er lange Zeit der Mutter etwas vorgemacht und sich selbst damit das Leben schwer gemacht, weil er ständig etwas anderes vortäuschen musste. Solche Bilder sind eine Zeit lang gut. Sie sind eine Strategie, die die Seele entwickelt, um über schwierige Situationen hinwegzukommen. Aber irgendwann stimmen diese Bilder nicht mehr.

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