Die Heimkehr Der Tochter
trug einen saloppen, aber eleganten Hosenanzug in Altrose und dazu eine schlichte und zeitlos schicke Perlenkette.
Als unscheinbares kleines Mädchen und später als schlaksiger, unattraktiver Teenager hatte Maggie sich immer gefragt, wie die kleine, zarte Lily eine Tochter wie sie hervorbringen konnte. Neben ihrer Mutter und ihren Schwestern war sie sich wie eine aufragende Giraffe vorgekommen.
Ihre hübsche, zartgliedrige Mutter war für sie der Inbegriff einer Märchenprinzessin gewesen. Lily wirkte so zerbrechlich, dass jeder automatisch den Drang verspürte, sie vor dem Leben zu beschützen.
Heute Morgen empfand Maggie allerdings nicht den Hauch von Schutzinstinkt. Lilys Betrug hatte sie tief verletzt.
Lily wurde ernst, als sie Maggies Mienenspiel bemerkte. Sie setzte sich neben sie, nahm ihre Hand und sah sie mit tränenfeuchten Augen zerknirscht an. „Ich weiß, ich weiß. Liebes, es tut mir so Leid."
„Warum? Warum hast du das gemacht, Mom? Ich habe dir vertraut, und du hast mich belogen. Wie konntest du so etwas tun?"
„Ich musste. Andernfalls wärst du nicht nach Haus gekommen, und ich war verzweifelt."
„Aber was hatte das für einen Sinn? Du musst doch geahnt haben, wie er reagieren würde. Zumal du mich ihm so unvorbereitet präsentiert hast."
„Nein, ich dachte, da er weiß, dass er ..." Sie verstummte mit bebendem Kinn, blickte kurz zum Himmel und unterdrückte die Tränen. „Da ich wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, dachte ich, er würde in sich gehen und erkennen, dass die Familie das Wichtigste ist. Ich war sicher, dass er, wenn du erst einmal da bist, all die verlorenen Jahre bedauern und froh sein würde, dass du endlich wieder zu Hause bist, wo du wirklich hingehörst."
„Ach Mom, du bist eine solche Träumerin. Wann hast du je erlebt, dass Daddy eine einmal getroffene Entscheidung rückgängig gemacht hätte?"
Maggie verzichtete auf den Hinweis, dass das Zerwürfnis mit ihrem Vater weiter zurückreichte als bis zu jenem Vorfall vor sieben Jahren. Lily wollte oder konnte nicht akzeptieren, dass Jacob seine Älteste nicht liebte und nie geliebt hatte.
So etwas war für sie undenkbar, und deshalb weigerte sie sich, diese Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen.
Sobald Maggie früher dieses Thema angeschnitten hatte, war Lily eifrig bemüht gewesen, ihr zu versichern, sie irre sich.
„Sei nicht albern, Liebes. Dein Vater liebt dich sehr. Das tut er wirklich. Er ist eben kein demonstrativer Mensch, das ist alles", hatte sie stets zu beschwichtigen versucht.
Bei Lily, Laurel und Jo Beth konnte Jacob jedoch sehr wohl demonstrativ seine Gefühle zeigen, wie Maggie nicht entging. Darauf hinzuweisen, hätte jedoch nur zu weiteren platten Beteuerungen ihrer Mutter geführt und Lily nur unnötigen Kummer bereitet. Nach einer Weile hatte Maggie das Thema nicht mehr angeschnitten und verborgen, wie gekränkt sie sich fühlte.
„Du hast Recht", sagte Lily resigniert. „Ich versuche offenbar immer, das Positive zu sehen, wo es gar nichts Positives gibt." Seufzend lehnte sie sich im Stuhl zurück und fuhr sich zittrig mit einer Hand über die Augen. „Es ist alles meine Schuld. Ich hätte euch beide nicht hereinlegen dürfen. Ich hätte schon vor Jahren eine Aussprache mit Jacob erzwingen und dieser seltsamen Entfremdung zwischen euch ein Ende bereiten müssen."
„Und warum hast du es nicht getan?"
Maggie kam diese Frage fas t herzlos vor, zumal sie in Li lys Gesicht las, wie viel Kummer sie hatte. Doch die Szene mit ihrem Vater gestern hatte sie tief getroffen, und so nahm sie ausnahmsweise keine Rücksicht. Sie fragte sich seit Jahren, warum ihre Mutter nicht längst eingegriffen hatte. Die Zeit war reif, sie wollte und brauchte Klarheit.
„Weil ich ein Feigling bin", flüsterte Lily zu ihrer Überraschung . „Als ich herausfand, dass Jacob dich hinausgeworfen hatte, hatten wir einen entsetzlichen Streit."
„Du? Du hattest einen Streit mit Daddy?"
Maggie verbarg ihre Skepsis nicht. Ihre Mutter war von Natur aus sanftmütig und gefügig und hatte sich immer gern dem Willen ihres Mannes gebeugt. Zorn und harsche Worte brachten Lily aus der Fassung. Sie war stets bemüht, jedem Streit aus dem Weg zu gehen. Es war schwer, wenn nicht gar unmöglich, sich vorzustellen, dass sie Jacob die Stirn bot.
„Ich weiß, du hältst mich für eine scheue kleine Maus. Aber Mütter aller Spezies, und mögen sie noch so sanftmütig sein, kämpfen für ihre Kinder."
„Tut mir
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