Die Heimkehr Der Tochter
„Ach ja, Maggie hat mir schon erzählt, dass Sie sich gestern begegnet sind."
„Ja, sind wir", bestätigte Dan mit beleidigender Gleichgültigkeit. Er wandte seine ganze Aufmerksamkeit Lily zu und gab Maggie das Gefühl, Luft zu sein - was beabsichtigt war. „Ich habe in der Fabrik alles erledigt. Von mir aus kann es losgehen, wenn Sie so weit sind, Lily."
„Lassen Sie mich nur rasch meine Tasche holen." Sie lächelte Maggie an. „Dan fährt mit mir ins Krankenhaus, um Jacob nach Haus zu holen."
Ein Stich der Eifersucht durchzuckte Maggie, weil Lily nicht sie, sondern Dan gebeten hatte, in einer Familienangelegenheit zu helfen. „Es ist nicht nötig, dass Mr. Garrett seine Arbeit verlässt, Mom. Ich kann Daddy mit dir abholen."
„Danke, Liebes, aber es ist besser, wenn Dan mitkommt. Er ist kräftiger als du und kann helfen, Jacob in den Wagen zu heben. Dr. Lockhart hat arrangiert, dass ein Pfleger bei uns einzieht. Er wird uns helfen, bis ..."
Sie presste die Lippen zusammen, die Augen feucht. Um Fassung bemüht, konnte sie nach einer Weile wieder sprechen, doch ihre Stimme klang hohl und angestrengt. „Er wird die nächsten Monate bei uns bleiben, aber er tritt seinen Dienst erst Montag an." Lily wirkte ein wenig unsicher und senkte die Stimme, als sie fortfuhr: „Außerdem glaube ich, dass es besser ist, wenn ich ... du weißt schon, Jacob auf die Veränderungen hier vorbereite."
Mit anderen Worten, sie muss ihn vorwarnen, dass ich bleibe, erkannte Maggie schmerzlich.
„Nutze den Morgen, dich hier einzurichten. Dan und ich sind in kürzester Zeit mit deinem Daddy zurück."
„Ich hole Ihren Wagen und parke vor dem Eingang." Ohne Maggie auch nur eines Blickes zu würdigen, ging Dan zur Garage.
Einige Minuten später sah Maggie ihn von ihrem Schlafzimmerfenster aus, wie er Lilys Cadillac im Rondell der Zufahrt vor ihrer Viper parkte. Mit einem Gefühlsgemisch aus leichter Abneigung und Neid sah sie dem burgunderroten Wagen nach, als er das Rondell wieder verließ und die lange Zufahrt zur Straße hinunterfuhr.
Dan Garrett besaß das Vertrauen und die Bewunderung ihrer Eltern und hatte sich einen festen Platz im Familienunternehmen und in ihrem Leben erobert. Das war mehr, als sie je erreicht hatte - zumindest bei ihrem Vater.
Das war entsetzlich unfair.
Bei dem Gedanken kam sie sich gleich schuldig und kindisch vor. Es war nicht Dan Garretts Schuld, dass ihr Vater sie nicht liebte. Sie ließ nur ihre Wut an ihm aus, weil er ein bequemer Sündenbock war.
Sie verdrehte voller Selbstironie die Augen. „Lass es gut sein, Maggie. Niemand behauptet, das Leben sei fair", murmelte sie vor sich hin. „Und dein Selbstmitleid bringt dich keinen Schritt weiter."
Der Cadillac verschwand hinter einer Kurve, und sie ließ die Spitzengardine zurückfallen.
Sie kehrte dem Fenster den Rücken, ging zum Himmelbett und ließ die Fingerspitzen über die Rüschen der Tagesdecke wandern. Dabei musste sie leicht schmunzeln. In einem hatte Jo Beth Recht. Ihr Zimmer war noch genau so, wie sie es verlassen hatte.
Die grün-weiße Bettdecke, der Berg Spitzen besetzter Kissen am Kopfende des Kirschholzbettes, die lindgrüne Tapete mit den kleinen weißen Blümchen, die weiße Spitzengardine, das zierliche Queen-Anne-Mobiliar, die Figurinen aus Dresdner Porzellan und die Vasen, mit alledem hatte Lily sich bemüht, ihr eine weiblich zarte Umgebung zu schaffen. Was jedoch nur dazu geführt hatte, dass sie sich hier auf Grund ihrer Größe noch schlaksiger und unbeholfener vorgekommen war.
Nicht dass sie das Zimmer nicht geliebt hätte. Es war ein wirklich schöner Raum, der das Herz jedes jungen Mädchens hätte höher schlagen lassen. Er passte nur eben nicht zu ihr.
Aber Mom hat es gut gemeint, dachte Maggie, tippte den Holzschaukelstuhl mit dem Zeigefinger an und setzte ihn so langsam in Bewegung.
Forschen Schrittes ging sie dann hinaus zu ihrem Wagen. In wenigen Minuten hatte sie das restliche Gepäck aus der Viper ins Haus getragen.
Sie hatte nicht viel mitgebracht, nur das Wichtigste. Tante Nan, die gute Seele, wollte ihr die Herbstgarderobe nachschicken. Außerdem würde sie oft genug bei Ankunft oder Abflug in New York sein, um aus ihrem Apartment mitzunehmen, was sie sonst noch brauchte.
In kürzester Zeit hatte sie alles ausgepackt.
Der Gedanke an ihre Tante erinnerte Maggie, dass sie versprochen hatte anzurufen, um zu berichten, wie es ihrem Vater ging und wie das Wiedersehen gelaufen war.
Sie setzte
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