Die Heimkehr des Highlanders
Blicken der meisten Männer konnte man tiefe Verachtung erkennen.
»Ihr wisst inzwischen alle, dass ich euch – im Auftrag des Königs von Britannien – das Leben schenke, weil ihr lebend dem Land mehr Nutzen bringen könnt, als wenn ich euch hinrichten ließe.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, während der er jeden Einzelnen flüchtig musterte. »In den Kolonien werden Männer für den Bau von Straßen und Militärgebäuden dringend gebraucht … aber denkt nur nicht, dass ihr dadurch frei seid. Wer gegen den König gekämpft hat, ist ein Verräter und muss hart bestraft werden. Den Rest eures Lebens werdet ihr Leibeigene der britischen Krone sein; wer dagegen aufbegehrt, hat sein Leben verwirkt.«
Schon nahten Soldaten mit den rasselnden Ketten und fesselten immer zwei Gefangene aneinander, glücklicherweise wurde Sìn an Ewan gekettet. Die beiden wechselten daraufhin einen triumphierenden Blick.
»Die Margarita Louise wird in den ersten Stunden des morgigen Tages in See stechen und auf ihrem Weg nach Übersee mehrere Häfen anlaufen, um weitere Gefangene aufzunehmen. Die Überfahrt wird ungefähr vier bis sechs Monate dauern – genug Zeit für euch Gesindel, um euch an euer neues Leben zu gewöhnen.« Die Mundwinkel des Kommandanten verzogen sich zu einem ironischen Lächeln. »Von nun an werdet ihr lernen, gehorsame Untertanen von George II. zu sein.«
Ewan merkte im letzten Augenblick, dass Sìn den Mund öffnete und stupste ihn unauffällig an. Auch wenn das Blut der Männer vor Hass kochte, wäre es ein Fehler gewesen zu protestieren.
»Vergesst die Gedanken an Flucht oder Meuterei«, fuhr der Offizier fort, dessen Name Ewan noch immer nicht wusste. »Meine Dragoner werden nicht zögern, von ihren Waffen Gebrauch zu machen, falls es erforderlich sein sollte. Bis zur Küste ist es ein Fußmarsch von mehreren Stunden – wer versucht, sich den Kommandos der Soldaten zu widersetzen, wird sofort erschossen.«
Ohne ein weiteres Wort gab er den Dragonern, die bereits auf ihre Pferde gestiegen und auf weitere Anweisungen warteten, ein Zeichen, worauf sich das schwere Holztor langsam und quietschend öffnete.
Fast hätte Ewan gejubelt. Vor ihm lag die Freiheit, nach der er sich seit Wochen gesehnt hatte, zum Greifen nah. Er hatte keinen Zweifel mehr, dass ihm die Flucht gelingen würde.
Langsam setzte sich der Gefangenentrupp in Bewegung. Voran ritten zwei Soldaten, in der Mitte und am Ende zu beiden Seiten jeweils ein Dragoner. Ewan hatte die Gefangenen gezählt, es waren etwas mehr als ein Dutzend.
Das erste, was Ewan und die anderen Männer wahrnahmen, als sie das Tor der Festung passiert hatten, waren große Schwärme von kreischenden Möwen, die den Trupp neugierig begleiteten. Die salzige Luft ließ das nahe Meer erahnen.
»Verdammt«, zischte Sìn unvermittelt in Ewans Richtung. »Weit und breit gibt es keinen Strauch oder Baum. Wenn wir fliehen, werden wir zum lebenden Ziel.«
Obwohl Ewan dasselbe dachte, entgegnete er mit gesenkter Stimme: »Warte es ab, mein Freund. In wenigen Stunden geht die Sonne unter, und wenn wir Glück haben, können wir die Flucht im Schutz der Dunkelheit wagen.«
»Bis dahin sind wir längst auf dem Sklavenschiff«, schnaubte Sìn. Sie sprachen Gälisch – selbst auf die Gefahr hin, deswegen von den Bewachern gemaßregelt zu werden. »Und wenn wir erst den verfluchten Kahn bestiegen haben, ist es zu spät.«
Doch sie redeten so leise, dass weder die Soldaten noch die anderen Gefangenen sie verstanden. Während des Aufenthaltes im Kerker hatte Ewan den anderen Männern angedeutet zu fliehen, doch man hatte ihn nicht ernst genommen. Den meisten war ohnehin gleichgültig, was mit ihnen geschah, ihr Kampf- und Überlebenswille war am 16. April 1745 auf dem Schlachtfeld erloschen.
Die ersten Wolken bildeten sich am Himmel, und bald verdunkelten sie die Sonne; fernes Grollen kündigte ein Gewitter an.
»Es scheint, als habe Gott uns doch nicht vergessen«, sagte Ewan leise, seine Stimme vibrierte vor innerer Erregung. »Es sind noch Meilen bis zum Meer, caraid , aber das Gewitter wird uns in weniger als einer halben Stunde erreicht haben.«
Auch den Dragonern war der rasche Wechsel der Wetterlage nicht entgangen, fluchend trieben sie die Gefangenen zur Eile an, doch die Männer dachten gar nicht daran, schneller zu gehen.
»Vorwärts, ihr Burschen!«, schrie einer der Soldaten. »Ich will keinen nassen Hintern kriegen!«
Sìn holte tief Luft. »Mit den Ketten
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