Die Heimkehr des Highlanders
am wenigsten damit gerechnet und schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf, als er Ewan davon erzählte. »Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen oder traurig sein soll; schließlich habe ich mit meinem Leben bereits abgeschlossen.«
»Du wirst bald zu deiner Familie zurückkehren«, versicherte Ewan. »Wenn uns die Flucht gelingt, sind wir frei.«
Unfroh lachte Sìn. »Vogelfrei meinst du. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich sein will. Früher hab ich für die Gesetzlosen immer nur Abscheu empfunden, und mir wird bange bei der Vorstellung, einer der ihren zu werden und mich mein Lebtag in den Wäldern verstecken zu müssen. Das Hochland wimmelt von Sasannach s und man kann ihnen nur schwerlich entkommen – das wissen wir beide schließlich aus eigener Erfahrung, aye?«
Doch Ewan war anderer Meinung, sein Optimismus gewann wieder die Oberhand: »Es wird nicht immer so sein, eines Tages können wir wieder friedlich in unserem Land leben. Denkst du denn überhaupt nicht an deine Frau und deine Kinder?« Ewans Stimme klang beschwörend. »Deine Brüder halten sich wahrscheinlich in den Wäldern deines Clans versteckt und hoffen auf deine Rückkehr. Ich jedenfalls werde mich auf die Suche nach meiner Familie machen, wenn …«
»Du fantasiert«, unterbrach ihn Sìn brüsk. »Wie willst du eine Flucht anstellen? Glaubst du, man lässt uns ohne Ketten zum Schiff gehen? Erinnere dich an den Marsch bis zur Festung – keinem Mann wäre es geglückt, auch nur einen winzigen Schritt aus der Reihe zu machen.«
Diese Tatsache hatte Ewan sehr wohl bedacht. »Aye, ich werde diesen Marsch nie wieder vergessen, aber damals waren die Männer erschöpft und völlig ausgehungert.«
»Oh ja, das ist dieses Mal etwas völlig anderes. Das gute Essen, das man uns hier vorsetzt, hat uns unsere Kräfte zurückgebracht«, witzelte Sìn. »Wenn man bedenkt, dass wir in den letzten Wochen nur Abfall zu uns genommen haben, ist es schon beachtlich, dass wir noch nicht tot sind und uns sogar auf den Beinen halten können.«
Damit übertrieb er keineswegs, die Verpflegung war dürftig und bestand im Wesentlichen aus hartem verschimmeltem Brot, undefinierbaren, fleischlosen Suppen und mitunter einem Stückchen ranzigem Speck – immerhin war das Wasser frisch, nachdem die Gefangenen, nächtelang von Koliken gequält, um Hilfe geschrieen hatten.
Der Entzug von frischer Luft und Sonne tat sein Übriges, die Haut der Männer war grau und die Wangen hohl.
Sìn sagte zunächst nichts mehr, er lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen die Wand und Ewan tat es ihm gleich. Das Gemurmel der anderen Männer drang gedämpft zu ihnen, wobei die meisten von ihren Frauen erzählten, die nach ihren Beschreibungen alles Vollweiber mit Feuer im Blut waren.
»In Ordnung, lass es uns versuchen«, sagte Sìn unvermittelt. »Lass uns in Teufels Namen eine Flucht versuchen, auch wenn es völlig verrückt ist. Praktischer wäre es, die Rotjacken schon vorher zu bitten, uns zu erschießen.«
Ewan wand den Kopf in Sìns Richtung: »He, die Sasannach sind zwar bis an die Zähne bewaffnet, aber besitzen sie die Raffinesse eines Highlanders? Nein, sie sind dumm und wissen nicht, was sie ohne Kommando tun sollen.«
Sìn lachte rau. »Aye, ohne Kommandant laufen sie verwirrt und kopflos herum wie Hühner nach dem Schlachten.«
Ohne besondere Ankündigung wurden Ewan, Sìn und eine Handvoll anderer Männer wenige Tage später aus ihrer Zelle geholt. Die Wärter sprachen kaum ein Wort mit den Gefangenen, doch das war auch gar nicht nötig; Ewan wusste auch so, dass er den übel riechenden Kerker zum letzten Mal gesehen hatte.
Die Männer wurden auf den Innenhof geführt; die Sonne blendete so stark, dass die meisten wie blind vorwärts stolperten.
Ewan und Sìn blieben dicht beieinander, denn wenn man den Gefangenen Ketten anlegte – und daran hegten sie keinen Zweifel – war es wichtig, dass sie zusammen blieben.
»Still gestanden!«, bellte einer der Soldaten. »Der Kommandant hat euch etwas zu sagen!«
Sofort herrschte absolutes Schweigen unter den zottigen, ausgemergelten Figuren, von denen keiner mehr die geringste Ähnlichkeit mit einem wilden rebellischen Hochländer hatte. Die Sträflinge atmeten tief die gesunde Luft ein und streckten ihre Gesichter der Sonne entgegen, die sie so arg vermisst hatten.
Als die große hagere Gestalt des Offiziers auftauchte, der die Verhöre geleitet hatte, richteten sich aller Augen auf ihn; in den
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