Die heimliche Gemahlin
noch von früher. Endlich wies er mit dem Daumen zur Tür. „Gut, also geh schon hinauf. Lass ihn vorbei, Ned, aber beobachte ihn, wenn er die Treppe hinaufsteigt.“
Daniel konnte Neds Augen förmlich im Rücken spüren, als er hinaufging. Oben schob Big Antony Wache - ein riesenhafter Italiener, der es an Größe und Kraft durchaus mit Daniel aufnehmen konnte. Die Tür neben dem Mann stand offen.
Als Daniel ihn ansprach, erhielt er nur ein Grunzen zur Antwort. Gut, vielleicht sprach der Kerl kaum Englisch. Es gab viele Ausländer bei den Schmugglern des Landes, da machte Crouchs Bande keine Ausnahme.
Drinnen saß Helena am Tisch, daneben stand Seth. Daniel trat ein. Ein Blick genügte, und er wusste, dass ihr nicht verborgen geblieben war, wer diese „Kellnerin“ wirklich war. Fieberhaft überlegte er, ob es etwas gab, das Seth für sie beide tun konnte. Trotz der Wache vor der Tür wollte er wenigstens kurz mit dem jungen Narren sprechen, wenn auch nur, um ihn nach Hause zu schicken.
Nachdem er so unauffällig wie möglich das Messer aus dem Ärmel gezogen und in die Manteltasche gesteckt hatte, bemerkte er, dass Helena ihm heimlich etwas zuschob. Er erkannte, dass es ein gefaltetes Stück Papier war. Liebevoll beugte er sich zu ihr und küsste sie auf die Wange. „Wie geht es dir, meine Liebe?“ Geschickt bezog Seth Stellung vor dem Tisch, damit Antony nicht sehen konnte, was drinnen geschah.
Eilig faltete Daniel das Blatt auseinander und betrachtete die Skizzen mit den dazu gehörigen Namen. Lächelnd richtete er sich auf. Ausgezeichnet! Vielleicht würden sie beide doch unbeschadet aus dieser Sache herauskommen. Während er wortreich über das Essen schimpfte, schrieb er eilig Anweisungen auf das Blatt. Bedauerlicherweise war Antony einige Schritte zur Seite getreten und beobachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen.
„Lenk die Wache ab“, flüsterte Daniel Helena kaum hörbar zu. „Ich muss mit Seth reden.“
Sie nickte, stand auf und bat Antony um sauberere Bettwäsche. Eilig faltete Daniel den Bogen wieder zusammen und steckte ihn Seth zu. Während die Wache verzweifelt versuchte herauszufinden, was Helena von ihm wollte, stellte sich Daniel dicht neben Seth. Beide hatten der Tür den Rücken zugewandt. Mit lauter Stimme bemühte sich Helena, dem Italiener verständlich zu machen, worum es ihr ging.
So leise wie möglich raunte Daniel: „Besteht die Möglichkeit, dass die Bande herausfindet, wer du wirklich bist?“ Keinesfalls wollte er den Jungen oder seine Familie in Gefahr bringen.
„Nein, ich trug Kleider meiner Mutter, als ich nach Hastings kam.“ Seth grinste verschmitzt. „Ich dachte, dass sie bestimmt eher ein Mädchen hier hereinlassen würden, sofern ich ihnen eine glaubwürdige Geschichte erzähle. Dann traf ich die Bedienung aus dem Gasthof, die gerade das Essen herbrachte. Ich sagte ihr, der Wirt schicke mich, sie habe Nachricht von ihrer Familie und müsse augenblicklich heimkehren. Es wird eine Weile dauern, bis sie feststellt, dass man sie hinters Licht geführt hat.“
„Gut.“ Daniel konnte nur hoffen, dass dieser Mummenschanz ihnen genug Zeit verschaffte. „Bring das hier nach London. Ich habe die genaue Adresse auf den Zettel geschrieben. Übergib Griffith Knighton das Papier, und falls er nicht da sein sollte, warte in Knighton House auf ihn. Du wirst es nicht bereuen. Ich habe ihn hier schriftlich gebeten, dir einhundert Pfund für deine Mühe zu zahlen. Aber wenn du diesen Auftrag erfolgreich erledigst, wird er dir bestimmt sogar noch mehr geben.“
Seth versuchte zu protestieren. „Ich bin gekommen, weil ich Ihnen helfen will, nicht, um mich nach London zu schleichen. Deshalb habe ich noch ein zweites Messer eingesteckt ..."
„Das kommt nicht infrage“, unterbrach Daniel ihn. „Es sind zu viele für uns, und außerdem könnte dich jemand erkennen. Uns wird schon nichts zustoßen, Kleiner. Allerdings nur, wenn du das Blatt hier nach London bringst.“ „Was ihr sprechen?“ donnerte Big Antony von der Tür. „Danny!“ rief Helena in ihrem hochmütigsten Ton. „Flirte nur ja nicht mit dem Mädchen da, oder du schläfst heute Nacht allein.“
Sofort begriff er ihre Finte und legte den Arm um Seth. „Aber Liebste, ich bin doch nur freundlich zu der Kleinen.“
„Nehmen Sie den Arm weg!“ rief Seth schrill und funkelte Daniel böse an.
Der lachte und rief Helena zu: „Sei doch keine Spielverderberin. Das hat doch nichts zu bedeuten. Und die Süße
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