Die heimliche Gemahlin
getrunken haben?“ erkundigte sich Mr. Wallace. „Immerhin war Ihr Vater doch ein Schnapshändler.“
War ihr Erstaunen so offensichtlich gewesen? „Jetzt, da ich mit Danny verheiratet bin, darf ich trinken, wonach mir der Sinn steht. Papa hingegen bestand darauf, dass eine anständige Dame kein Ale zu sich nehmen darf. Er hat mich nie etwas Stärkeres als Champagner trinken lassen.“
Die Männer brachen in lautes Gelächter aus. „Champagner, hm?“ schrie Wallace belustigt. „Hier werden Sie jedenfalls keinen Champagner finden, Mrs. Brennan.“
„Dem Himmel sei Dank.“ Sie nahm wieder einen Schluck. „Das hier ist mir lieber.“
Alle lachten wieder, nur Daniel schien verärgert zu sein. Helena stellte überrascht fest, dass ihr das Bier mit jedem Zug besser mundete. Außerdem fühlte sie eine angenehme Wärme in sich aufsteigen. Überhaupt war sie plötzlich wunderbar entspannt.
„Wie haben Sie es denn nun geschafft, den guten Danny zu heiraten, wenn Ihr Papa strikt dagegen war?“ fragte einer der Männer.
Am besten blieb sie so nah wie möglich bei der Wahrheit. „Ich wusste, dass die Hoffnungen, die mein Vater für mich hegte, viel zu hoch geschraubt waren, wenn ihm selbst dies auch zu entgehen schien.“ Sie deutete auf ihr Bein. „Es ist schwer, einen vornehmen Lord zu becircen, wenn man nicht einmal mit ihm tanzen kann.“
„Waren Sie denn schon immer lahm?“ wollte der Jüngste der Schar wissen.
Wallace versetzte dem Kumpan einen Stoß. „Was für eine unhöfliche Frage, du Grützkopf.“
„Lassen Sie nur. Das macht mir nichts aus“, beschwichtigte sie. Als alle am Tisch sie aber gespannt anstarrten, lief es ihr doch heiß und kalt über den Rücken. Sie sprach nur höchst selten von ihrer Krankheit und wich diesbezüglichen Fragen sonst mit kühler Höflichkeit aus. Sich nun aber diesen wildfremden Kerlen zu offenbaren ...
Rasch hob sie den Krug nochmals an die Lippen und schaute zu Daniel hinüber. Der lächelte ihr aufmunternd zu, was sie sonderbarerweise beruhigte. „Kurz vor meiner ersten Saison zog ich mir eine sehr seltene Krankheit zu“, erklärte sie schließlich. „Zuerst bekam ich Fieber und litt an Kopfschmerzen. Dann waren plötzlich meine Muskeln angegriffen. Als das Fieber verschwand, entdeckte ich, dass ich meine Beine nicht mehr bewegen konnte.“
„Alle beide?“ Wallace betrachtete ihre Beine. „Aber das eine scheint doch ganz in Ordnung zu sein.“
Sie nickte. „Papa zog einen Arzt zurate, der sich mit der Krankheit auskannte. Der riet mir, mich zu bewegen. Dadurch, so meinte er, könnte ich möglicherweise die Kraft in meinen Beinen wiedergewinnen.“ Sie zuckte die Schultern. „Also machte ich regelmäßig Übungen. Das eine Bein wurde tatsächlich wieder ganz gesund. Das zweite kann ich zumindest wieder benutzen.“
„Erzähl ihnen, wie lange du dafür gebraucht hast“, forderte Daniel sie auf.
Prüfend betrachtete sie ihn. Tatsächlich, er selbst war gespannt auf ihre Antwort. Diese Anteilnahme rührte sie. „Es dauerte dreieinhalb Jahre, bis ich allein mit Hilfe meines Stocks gehen konnte. Meine ... Zofe Rosalind hat mir unendlich geholfen. Wenn ich aufgeben wollte, zwang sie mich weiterzumachen. Ihr habe ich es zu verdanken, dass ich überhaupt wieder laufen kann.“
„Nicht nur ihr, sondern auch dir selbst“, widersprach Daniel. „Es muss dich ungeheure Willensanstrengung gekostet haben. Und ich bezweifle, dass deine Zofe auch nur das Geringste hätte ausrichten können, wenn du nicht alles darangesetzt hättest, wieder gesund zu werden.“ Erstaunt schaute sie ihm in die Augen. Die Wärme und Anerkennung in seinem Blick nahmen ihr den Atem. „Da hast du vielleicht Recht“, sagte sie schließlich leise.
„Also wurde nichts aus Ihrem Auftritt in der feinen Gesellschaft“, warf einer der Männer ein.
„Oh. Nein. Dazu kam es nicht.“ Sie nahm einen kräftigen Schluck Ale. In Gedanken erinnerte sie sich schmerzlich daran, welch mitleidige Blicke ihr der Stock von den Söhnen der vornehmen Familien in Stratford eingebracht hatte. „Als ich endlich wieder laufen konnte, war ich inzwischen zu alt und lahm, um für einen Adligen infrage zu kommen.“ Der Alkohol verlieh ihr Mut, Dinge auszusprechen, die sie sonst stets für sich behielt. „Außerdem hatte ich für diese Gentlemen ohnehin nie viel übrig. Ein Mann sollte an einer Frau mehr schätzen als allein ihr Aussehen. Was meinen Sie?“
Die Männer am Tisch stimmten ihr eiligst
Weitere Kostenlose Bücher