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Die heimliche Gemahlin

Titel: Die heimliche Gemahlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Martin
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fand sie Stift und Skizzenblock.
    Daniel schlief bereits tief und fest, was sie kaum überraschte. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Sie hängte die Lampe so auf, dass ihr Licht teils auf das Papier, teils auf Daniel fiel, und nahm ihm gegenüber im Heu Platz. Vorsichtig streckte Helena die Beine aus, und dann begann sie, Daniel zu zeichnen.
    Sie war fast fertig, als sie überrascht feststellte, dass er erwacht war und sie anguckte. Als er sich auf die Seite drehen wollte, rief sie: „Nein, nicht bewegen!“
    „Warum? Was zeichnest du denn da?“
    „Dich, wie du schläfst.“
    Er lächelte geschmeichelt.
    „Jetzt, da du wach bist, muss ich deinen Gesichtsausdruck allerdings ändern“, erklärte sie. „Du wirkst nämlich über alle Maßen selbstzufrieden.“
    Lässig legte er ihr die Hand auf den Knöchel und ließ sie mit einer langsamen sinnlichen Bewegung unter Helenas Umhang die Wade bis zum Knie hinaufwandern. „Dazu habe ich auch allen Grund.“
    „Tatsächlich?“ fragte sie und zeichnete weiter.
    „Welchen Mann würde es nicht entzücken, wenn er aufwacht und feststellt, dass eine bildhübsche halb nackte Frau ihn malt?“ Genießerisch schob er den Umhang von ihren Beinen und betrachtete sie verlangend.
    Sie errötete unter diesem Blick. „Ich dachte, du wolltest schlafen.“
    „Habe ich ja, aber du wohl nicht.“
    „Es ist mir nicht gelungen.“
    „Darf ich hoffen, dass der Grund dafür mein Antrag war?“
    „Ja.“ Schüchtern schaute sie ihn an. „Obwohl ich mir auch über andere Dinge den Kopf zerbrochen habe.“ „Worüber denn?“ wollte er wissen.
    „Du warst neun, als du zu Crouch kamst, richtig?“ „Stimmt“, erwiderte er misstrauisch.
    „Und in welchem Alter bist du im Arbeitshaus gelandet?“
    „Warum fragst du?“
    „Ich will es nur wissen. Ich würde jetzt gern alles über dich erfahren. Das überrascht dich doch nicht, oder?“ „Eigentlich nicht.“ Er seufzte. „Ich muss ungefähr sechs gewesen sein. Ich kann mich kaum noch an meinen ersten Tag dort erinnern. Ich entsinne mich nur, dass es kalt war und ich hungrig. Aber Hunger gelitten habe ich eigentlich immer, nachdem man meine Eltern aufgehängt hatte. Ich wurde von einem meiner Verwandten zum nächsten abgeschoben - niemand wollte mich bei sich behalten. Alle fürchteten mein schlechtes Blut.“
    „Oh Daniel“, flüsterte sie und ließ den Bleistift fallen. „Das ist ja entsetzlich.“
    Er zuckte die Schultern. „Schließlich übergab man mich dem Büttel der Gemeinde, und der brachte mich ins Arbeitshaus von Maldon. Das liegt in Essex, wo ich auch geboren wurde.“
    „Dort bist du dann drei Jahre lang geblieben, bis Crouch dich gefunden hat?“
    „Ja, er war in Maldon, weil er dort einen Kutter kaufen wollte. Er brauchte noch jemanden, um wieder zurück nach Sussex zu segeln. Er kam ins Arbeitshaus und suchte nach einem kräftigen Jungen. Er hat gutes Geld für mich bezahlt. Ich war groß für mein Alter, und Crouch fand es wohl ganz amüsant, Wild Danny Brennans Sohn in seine Bande aufzunehmen.“
    „Man wusste im Arbeitshaus, wer deine Eltern waren, und teilte es auch Crouch mit?“
    „Ja“, bestätigte er gereizt.
    „Wahrscheinlich war es diesen Leuten ganz gleich, dass sie dich einem Schmuggler gaben.“ Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es wohl sein mochte, einem Stück Vieh gleich verhökert zu werden. „Dabei warst du doch noch ein kleines Kind.“
    „Tatsächlich haben sie mir damit einen Gefallen erwiesen. Crouch hat mich zehnmal besser behandelt als die Leute im Arbeitshaus. Bevor ich Griffith traf, hielt ich Jolly Roger für den besten Mann auf Gottes Erdboden. Weil er so gut zu mir war.“ Er stützte sich auf den Ellbogen. „Deshalb kann ich mir kaum vorstellen, dass er Juliet entführt hat. Er ist ein Halunke - daran besteht kein Zweifel. Aber ich habe ihn nie für einen echten Bösewicht gehalten. Derlei sieht ihm einfach nicht ähnlich.“
    „Er muss wirklich die ein oder andere gute Eigenschaft besitzen. Andernfalls hätte er keine neunjährige Waise aufgenommen.“ Gedankenversunken spielte sie mit dem Bleistift. „Kannst du dich eigentlich noch an deine Eltern erinnern?“
    Tiefe Traurigkeit und eine entsetzliche Sehnsucht spiegelten sich auf seinem Gesicht wider. „Ein wenig. Es gibt etwas, das werde ich wohl nie vergessen. Meine Mutter küsste mich jeden Abend auf die Nasenspitze, wenn sie mich zu Bett brachte. ,Tapferer Junge, sagte sie dann.,Genau wie dein Papa.“

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