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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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Gespenst von AIDS, wie ich im ersten Kapitel ausführte, für meine Gesprächspartnerinnen sehr weit weg zu sein schien, erwähne ich es hier, weil es den moralischen Aspekt von Geständnissen erheblich verschärft. Denn obwohl die meisten dieser Frauen AIDS nur flüchtig in Betracht zogen, erschien ihnen allen die Frage der sexuellen Geheimhaltung als entscheidend wichtig.
    Ich frage Amanda: »Wenn Sie Affären gehabt hätten, ohne es Ihrem Mann zu sagen, wäre das unehrenhaft gewesen ?«
    »Ja.«
    »Weil Sie HlV-positiv sein könnten ?«
    »Nein, daran habe ich nicht gedacht. Das ist zwar richtig, aber mir ging es darum, daß ich damit zu unserem Mißverständnis darüber beigetragen hätte, wer ich bin, was ich brauche und was zwischen uns vorgeht. Es wäre ein Symptom von etwas gewesen, dem wir uns beide nicht stellen und gegen das wir daher beide nichts tun können .«
    »Wenn Sie von etwas sprechen, dem Sie sich beide nicht stellen, betrifft das dann besonders die Nähe, die Sie so sehr vermißten ?«
    »Ja.«
    »Sie hätten das Gefühl, mit einer Lüge zu leben ?«
    »Ja. Genau. Und einer gefährlichen noch dazu.«

Konsequenzen des Schweigens — Risiken des Redens

    Das moralische Gewicht von Ehrlichkeit wird von manchen Fachleuten in Frage gestellt, die den Eindruck haben, Ehrlichkeit werde als Allheilmittel gepriesen, statt als ein möglicher Weg zur Lösung komplizierter Eheprobleme, die mit außerehelichem Sex zusammenhängen. »Ehrlichkeit wird so mißbraucht«, meint Carol Nadelson. »Der Begriff der Ehrlichkeit artet in Rigorismus aus: man muß alles mitteilen. Ist das wirklich mit >ehrlich< gemeint? Oder bedeutet es, daß man etwas mitteilt, wenn man danach gefragt wird? Läßt es Raum, seine Worte abzuwägen? Einen Unterschied zwischen Ehrlichkeit und Grausamkeit zu machen?«
    Bei unserem Versuch, die Ehe zu retten, ignorieren wir die Betroffenen — besonders die Frauen — und verstärken die Idealisierung dieser Verbindung, was es eher noch schwieriger macht, sie zu retten. Die Verantwortung für die Ehe bleibt bei näherer Betrachtung überwiegend Aufgabe der Frau. Sie hat die Pflicht, auf die Verletzbarkeit ihres Mannes Rücksicht zu nehmen und die Beziehung zu schützen. Auf ihre Verletzbarkeit, geschweige denn ihr Vergnügen, werden oft nicht viele Gedanken verschwendet. Durch die Idealisierung der Ehe haben die Frauen, wie immer, am meisten zu verlieren.
    Als ich bei dem vorher erwähnten Therapeuten-Workshop den Fachleuten zuhörte, die teils für Geständnisse, teils für Geheimhaltung eintraten, vermißte ich die Fakten, die mir so vertraut geworden waren: daß eine Scheidung für Frauen mit Verarmung einhergeht und die Ehe mit Depressionen, während die Ehe den Männern eine höhere Lebenserwartung beschert. Solange ich diesen Experten zuhörte, traten die Stimmen der Frauen in den Hintergrund, die ihre Bedürfnisse und Verletzbarkeiten äußerten. Es war schwierig, den Experten und den Frauen gleichermaßen zu vertrauen, und am Ende habe ich mich, ebenso wie am Anfang, dafür entschieden, es mit den Frauen zu halten.
    Die Diskussion pro und contra Geständnis verrät also mehr als bloß zwei entschiedene Standpunkte in der Frage, ob eine Frau schweigen sollte. Unsere Kultur übermittelt Frauen eine doppelte Botschaft. Eine Frau, die ein Verhältnis hat, wird gleichzeitig mit zwei entgegengesetzten Werten konfrontiert: mit dem moralischen Imperativ, dem Partner die Wahrheit zu sagen — »in der Beziehung ehrlich zu sein« — , und mit dem moralischen Imperativ, andere nicht zu verletzen bzw. »die Verantwortung dafür selbst zu tragen«.
    Obwohl die gleichen, in dieser Situation einander widersprechenden Werte natürlich auch für fremdgehende Männer gelten, scheinen Frauen in einer anderen Position zu sein. Ihnen wird schneller vorgeworfen, unehrlich, heimlichtuerisch, manipulativ und verlogen zu sein, und sie werden prompter beschuldigt, anderen wehzutun. Annette Lawson fand die Frauen in ihrer Untersuchung besonders sensibel für die Wirkung, die ihr Verhalten auf ihre Ehe und ihre Männer haben könnte — stärker als Männer ihrer Macht bewußt, andere zu verletzen, und besorgter, daß sie diese Macht als Waffe einsetzen könnten. Der häufigste von den Frauen genannte Grund, warum sie ihre Partner nicht aufklärten, war, »um ihn nicht zu verletzen,...um das Gesicht des Mannes zu wahren«. Fremdgehende Männer, berichtet Lawson, »äußerten dagegen niemals Rücksicht auf die

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