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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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zurück. Es sind jetzt Therapeutinnen, die darüber diskutieren, was eine Frau tun sollte, und die das Problem betrachten: »Wie kann man dem potentiellen Schaden der Affäre für die Familie entgegenwirken ?« und damit die Frage vorwegnehmen: »Welches ist der beste Weg, den Sie von hier aus einschlagen können?« Dabei wird immer wieder sowohl auf die höhere Priorität hingewiesen, die der Ehe und dem eigenen Mann einzuräumen sei, wie auch auf die Annahme, was den Frauen guttäte, sei, einen Weg zurück zu Ehe und Familie zu finden, und zwar möglichst rasch.

Das neue moralische Dilemma

    Die subtile Verschiebung in der Thematisierung von außerehelichem Sex, die vom Faktum als solchem zu dessen Geständnis führt, scheint mir nichts als der Versuch, mit der zunehmenden Häufigkeit des Faktums zurechtzukommen, ohne es zu billigen. Die Abkehr von der simplen Behauptung, es sei unanständig von Frauen, ein Verhältnis zu haben, zugunsten der verschwommeneren Moral, die den Betrug der Frau an ihrem Mann und ihre mangelnde Pflege der Beziehung als unanständig brandmarkt, eröffnet uns ein ganz neues, möglicherweise endloses Feld für Diskussionen: »Wie sollten sich Frauen in Beziehungen verhalten, insbesondere wenn Ehemann und Kinder betroffen sind?« »Analytisch gesprochen hat unsere Kultur ihre Kohärenz verloren«, meint der Psychoanalytiker Martin Bergmann. »Ich behaupte nicht, daß diese Kohärenz etwas Gutes war, aber in einer Kultur, in der jede Frau, die man beim Ehebruch ertappte, gesteinigt wurde, hat es sicher größere Hemmungen davor gegeben.« In einem solchen kohärenten Klima wäre es somit eine müßige Frage, was eine Frau nach ihrer Liebesaffäre tun sollte. Sie würde nicht am Leben bleiben und daher keine Chance mehr haben, irgend etwas zu tun.
    Die Verlagerung der Aufmerksamkeit vom Akt des Ehebruchs hin zum Geständnis als dem Ort, wo der potentielle Verstoß gegen die Beziehung liegt, hat einen neuen moralischen Diskurs mit sich gebracht. Von den zwei Alternativen, die eine Frau hat — es zu sagen oder nicht zu sagen — , ist erstere zur »moralischen« Entscheidung geworden. Gegenwärtig legen wir allergrößten Wert auf Offenheit in den Beziehungen. Wir haben »Vertrautheit« insofern neu definiert, als sie nunmehr bedeutet, mit unserem Partner alles zu teilen, was wir tun und fühlen, so daß die »Mitteilung« in den Status der »Wahrhaftigkeit« erhoben wurde, während »Diskretion« inzwischen etwas leicht Anrüchiges hat, was dem »Betrug« nahe kommt. Diese Verschiebung, die den Austausch von Informationen zum wichtigsten Maßstab der Nähe zwischen verheirateten Paaren macht, wichtiger als Sex, nennt Annette Lawson das Verdrängen der »Ehre durch Ehrlichkeit« — und macht die Pille als deren Ursache dingfest.
    Als nämlich mit der Pille der Mann nicht mehr Eigentümer des Körpers der Frau war, schreibt sie, hatte er keine Kontrolle mehr über die sexuelle Vorgeschichte seiner Geliebten und deren gegenwärtiges Sexualleben; um ihrer Treue sicher zu sein, sei er deshalb davon abhängig, was sie ihm darüber erzähle. Seit Einführung der Pille könne die Monogamie, falls es sie denn geben sollte, nur dadurch garantiert werden, daß ihm die Frau ihr Wort gebe. Wissen und Information hätten die Frau selbst als Tauschgut ersetzt.
    Dem Zorn, den ein Mann über die Besitzergreifung des Körpers seiner Frau durch einen anderen Mann verspürt, liegt Lawson zufolge »die Wut über einen Bruch des — mündlichen — Vertrages« zugrunde, den Diebstahl von Information, von geteilten Geheimnissen, geteiltem Wissen. Treue in der Beziehung werde erwartet »aufgrund der Bereitschaft, sich aufeinander zu verlassen, auf Schwächen der Beziehung hingewiesen zu werden, ein hohes Maß an Kommunikation zu erreichen und keine Geheimnisse voreinander zu haben«. Während die Bereitschaft, dem Partner zu vertrauen, immer wesentlich für die Ehe gewesen sei, liegt das Neue nach Lawson »in der größeren Relevanz des Gedankens der Offenheit und Ehrlichkeit und in der Betonung des Entstehens von Intimität durch Gespräche, speziell durch Selbstoffenbarung, etwa das Geständnis sexueller Geheimnisse«. (Hervorhebung durch A. L.)
    Ehrlichkeit ist die Form, die der exklusive Besitz in den neunziger Jahren angenommen hat; Unehrlichkeit ist aufgrund von AIDS sogar potentiell tödlich. Aufklärung der sexuellen Vergangenheit ist von noch nie dagewesener Bedeutung für die eigene Zukunft. Obwohl das

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