Die heimliche Lust
»sollte« und »sollte nicht« so wild und blind umherflattern wie Fledermäuse in der dunklen Höhle, aus der die Frau geflohen war, als sie diese aussichtslosen Alternativen des Gebens und Nehmens satt hatte und sich sagte: »Ich kann diese Bedingungen nicht mehr akzeptieren.« Hier, wo sie anfing, sich gut zu fühlen, indem sie etwas »Unanständiges« tat, endlich befreit von der tristen Wahlmöglichkeit zwischen der Sorge für ihre Lieben und der Sorge für sich selbst, mit der Erkenntnis vor Augen, andere Maßstäbe entwickeln zu können, die das aktive Streben nach Erfüllung der eigenen Bedürfnisse einschließen, ihre Selbstfindung, hier also, an diesem neuen Ort, begegnet sie wieder diesen alten Fragen: Wie wirst du aus dieser verbotenen Handlung etwas Gutes für deine Ehe machen? Was wirst du deinem Mann und deiner Familie als Wiedergutmachung dafür bieten, dir einen solchen Lustgewinn verschafft zu haben?
Wer sie wieder in das Gehäuse hineindrängt, das sind jene, die sie vielleicht unreflektiert erneut auffordern, nur daran zu denken, was am besten für ihre Ehe und ihren Mann ist, und umgehend wieder zu der Selbstlosigkeit zurückzukehren, von der sie sich so schnöde losgesagt hatte. So rät ihr der New Yorker Psychiater Malcolm Hill in einem Zeitschriftenartikel über außerehelichen Sex von Frauen:
In der Regel sollten Sie es Ihrem Mann nicht sagen, daß Sie ihm untreu gewesen sind. Bedenken Sie, es bedarf nur weniger Minuten, ja Sekunden, um eine Ehe zu zerstören. Und dieses Geständnis könnte genau dies bewirken.
Falls sie aufgrund überwältigender Schuldgefühle in Versuchung sei, zu beichten, rät er ihr, eisern an ihrem Schweigen festzuhalten und statt dessen
...Mittel und Wege zu suchen, um es ihm behaglicher zu machen... Massieren Sie Ihren Mann, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, verführen Sie ihn, reagieren Sie begeistert auf seine sexuellen Avancen, kochen Sie ihm seine Lieblingsspeisen. Machen Sie mit ihm Rucksacktouren, falls das sein Hobby ist, oder gehen Sie mit ihm ins Theater, wenn er das liebt. Versuchen Sie, ihn glücklich zu machen, sein Leben — und Ihr Zusammenleben — zu verbessern. Das wird Ihre Schuldgefühle abbauen und könnte Ihre Ehe so weit erneuern, daß keiner von Ihnen beiden je wieder in Versuchung sein wird, fremdzugehen.
Falls sie es vor ihrem Seitensprung nicht geschafft hat, wie Donna Reed zu werden, dann wird es ihr vielleicht jetzt gelingen, wo sie vermutlich geläutert, schuldbewußt und zu dauerhafter Besserung bereit ist. Ihr wird Schweigen, die Rückkehr zu den alten Strukturen und eine neuerliche äußerste Anstrengung empfohlen, ihren Mann zu erfreuen. Ihre Schuldgefühle wird es lindern, und es wird sie schließlich freisprechen, ihm genügend Zuwendung und Fürsorge entgegenzubringen, um wieder die alte Situation herbeizuführen, »ihn glücklich zu machen und sein Leben — und ihr Zusammenleben — zu verbessern«. Wenn sie es gut genug hinkriegt, hat sie als Bonus diesmal eine hundertprozentige Garantie der eigenen, lebenslangen sexuellen Treue und der ihres Mannes zu erwarten. Sie erhält eine zweite Chance im Romantik-Drehbuch. Sie kann ihre Ehe erneut idealisieren, ein weiteres Mal die Verantwortung für jedermanns Wohl außer ihrem eigenen übernehmen und es endlich zu einem Happyend bringen. Aber es wird mit denselben alten Bedingungen behaftet sein, die sie schon einmal abgelehnt hat: der Rückkehr zur Vergangenheit und ihren bindenden Verhaltensmustern, mit anderen Worten: in die Abhängigkeit von ihrem Mann.
Der Wunsch, offen zu sein
Ich habe Frauen erlebt, die ihrem Mann ihre Seitensprünge gestanden, und Frauen, die das nicht taten. Die meisten haben es nicht getan. Mit wenigen Ausnahmen wünschten sie sich jedoch, reinen Tisch machen zu können — aber nicht, damit er ihnen verzeiht oder sie bestraft oder sie zu einer idealisierten Ehe zurückkehren. Wenn ich sie fragte: »Haben Sie überlegt, ob Sie Ihrem Mann von Ihrem Verhältnis erzählen sollten ?« , dann wogen sie in der Regel die Frage unter Berücksichtigung sowohl ihrer eigenen Bedürfnisse als auch der ihres Mannes genau ab:
Die achtunddreißigjährige Karen sagte, sie habe gewartet, bis sie wußte, was sie wollte:
Ich habe erst entschieden, ob ich es [meinem Mann] sage, als ich wußte, ob ich meine Ehe wieder in mein Leben einbauen will. Zuerst machte ich die [außereheliche] Erfahrung und mußte sie schützen, da war ein Geständnis ausgeschlossen.
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