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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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vorhergehende Depression vergleichsweise harmlos erscheinen läßt. Sie dreht sich zu George hin, der tief und schuldlos atmet, und beobachtet ihn eine Weile; bis zum Brechreiz von Schuldgefühlen gepeinigt, schwört sie sich, alles zurückzubringen, sobald Bergdorfs aufsperrt, nämlich in vier Stunden.
    Um bezahlen zu können, was auf ihre zwei American Express-Karten und ihre Visa-Karte eingetragen ist, müßte Paula sonstwo tätig werden; ihr jämmerliches Einkommen als Kinderbuch-Lektorin hat sie gestern in Sekunden verpulvert. Das Einkaufen macht ihr nicht mehr den gleichen Spaß wie früher.
    Paulas Beziehung zu ihrem Mann George ist freundlich, wie sie sagt, aber nicht besonders eng.
    »Ist >entfremdet< das richtige Wort ?« frage ich sie.
    »Nein. Nicht entfremdet. Es ist die Beziehung eines altmodischen Ehepaars, nicht so wie bei den Jungen, die eine Therapie machen und an ihrer Beziehung arbeiten. Wir haben die Art von Beziehung, die junge Mädchen niemals haben wollen .«
    »Sie meinen, einen Ehetrott ?« frage ich. »Wo sich die Ehepartner >Mutter< und >Vater< nennen ?«
    »Genau. George und ich haben das immer so gehalten. Das hat uns irgendwie gefallen. Melissa könnte uns umbringen, wenn wir das tun. Sie findet das spießig. In jedem Fall ist George ein guter Ehemann, und wir sind schon ewig verheiratet und werden verheiratet bleiben; er ist ein traditioneller Mann, ich glaube, so nennt man das, Männer, die sich gefühlsmäßig nicht sehr engagieren. Und unser Sexualleben ist nichts Besonderes. Ich könnte mir vorstellen, daß George im Lauf der Jahre eine Affäre hatte, aber ich bin nicht sicher .«
    »Wenn Sie sicher wären, würden Sie darunter leiden ?« frage ich sie.
    »Ich habe darüber nachgedacht. Das ist wahrscheinlich nicht die Antwort, die Sie hören wollen, aber ich glaube, es würde mir nichts ausmachen. Ich stelle mir sogar vor — da ich mich um so wohler fühle, je zufriedener er zu Hause ist — , daß ich das tolerieren könnte, vorausgesetzt, George würde diskret damit umgehen und mich nicht verletzen. Ich könnte mir auch vorstellen, daß sich durch eine Freundin seine Anforderungen an mich verringern würden. Zum Beispiel könnte ich sie anrufen und fragen, >Warum kümmern Sie sich nicht um seine Kleidung — den Schuster, die Reinigung und den Nachkauf von Hemden und Krawatten, und ich sorge dafür, daß er seine Lieblingsspeisen im Kühlschrank vorfindet! Okay? Ich meine, wir könnten das Ganze doch so arrangieren, daß wir uns beide das Leben erleichtern !< «
    »Haben Sie je daran gedacht, eine Beziehung zu einem anderen Mann einzugehen ?« frage ich.
    Sie bejaht. »Aber nur theoretisch. Ich fühle mich weder attraktiv genug, um jemanden zu fesseln, noch hinreichend interessiert an Sex, um jemanden zu begehren; ich fühle mich etwas vertrocknet, als wäre ich einmal eine Frau gewesen, und jetzt bin ich etwas anderes, etwas weniger Wertvolles. Ein bißchen mangelhaft. Es ist merkwürdig, aber ein Mann ist das letzte, was ich im Sinn habe. Tatsächlich wünschte ich mir, ich wäre darauf aus, jemandem meine Attraktivität zu beweisen. Jemandem außer mir selbst. Ich fühle mich wie in einem Turm, weggeschlossen wie eine Prinzessin, außerhalb der Realität und doch darin funktionierend. Auch darf man nicht vergessen, daß ich diese Einkaufs-Manie habe. Solche Einkäuferinnen sind immer brave Mädchen. Ich bin ein braves Mädchen, ein anständiges Mädchen aus einer anständigen jüdischen Familie. Ich tue nichts Unrechtes. Es könnte bloß sein, daß ich wegen meiner Kaufhausrechnungen ins Gefängnis komme .«
    » Sollten Sie wegen Ihrer Rechnungen ins Gefängnis kommen ?«
    »Richtig. Ich sollte. Es vergeht kaum ein Vormittag, an dem ich mir nicht in irgendeinem Zusammenhang dieses >ich sollte< vorsage, um mich zu motivieren. Ich sollte ein gesünderes Frühstück für George machen, obwohl er kein Frühstück mag; ich sollte zur gleichen Zeit aufstehen wie er und mit ihm dieses sagenhafte Frühstück essen; ich sollte ihn mehr nach seiner Arbeit fragen, mehr mit ihm über meine Gefühle sprechen. Ich sollte ihn konfrontieren: das ist der übliche familientherapeutische Weg zu einer besseren Ehe. Man redet über die Ehe. Ich sollte ehrgeiziger sein, wie meine Freundin Jenny. Ich sollte meine Freundin Jenny anrufen. Ich pflege meine Freundschaften nicht genug. Vielleicht werde ich eine Party veranstalten. Ich sollte geselliger sein. Ich sollte eine Diät einhalten. Ich sollte

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