Die heimliche Lust
sie.
Und ihr Bedürfnis ist nun einmal das Einkaufen. Es macht sie so glücklich wie sonst nichts — wenn auch nur vorübergehend. »Es ist seltsam, das zuzugeben«, sagt Paula, »aber diese Euphorie ist besser als Sex. Oder vielleicht ist sie genausogut wie toller Sex; ich bin nicht sicher, ob ich mich überhaupt noch daran erinnere.
Aber ich kenne meine körperlichen Empfindungen beim Einkaufen. Ich bin sofort äußerst konzentriert. Ich verspüre einen Energieschub, der alles — sogar mein Sehvermögen — etwas schärft. Die Farben haben mehr Leuchtkraft, die Gefühle sind intensiviert. Ich fühle mich ganz auf der Höhe, schleiche nicht bloß rum. Ich scherze mit den Verkäufern, ich bin witzig — ich bin einfach toll. Ob Sie es glauben oder nicht, plötzlich löse ich wie durch Zauberhand bisher unüberwindliche Probleme, was die Arbeit, was meine Familie betrifft.
Und ich bin etwas Besonderes. Ich kann alles das haben, was irgendeine andere Frau in der Welt hat, und sei es Ivana Trump. Und natürlich sind die Verkäufer immer beeindruckt, behandeln mich immer gut, weil ich so viel kaufe. Sie halten mich für reich. Ich halte mich für reich .«
An Tagen, wenn das Rendezvous in einem Laden nicht völlig außer Kontrolle gerät, stellt ein kurzer Bummel — »ein Mittags-Quickie«, wie Paula es nennt — eine entspannte Verführung dar. Wenn sie zum Beispiel im vierten Stock von Bergdorf’s ankommt, findet sie dort ihren Lieblingsverkäufer — einen Mann namens Jimmy vor. Sie ist erleichtert, ihn zu sehen, er ist begeistert, sie zu sehen. Er sagt, er habe eine Überraschung für sie, etwas Fabelhaftes, soeben eingetroffen und wie für sie gemacht. Er führt sie zu »ihrem« Umkleideraum — dem größten auf der Etage — und bittet sie, Platz zu nehmen.
Die »Überraschung« ist auf einer anderen Etage; so unglaublich schön, erzählt ihr Jimmy, daß ein junges Model es sich für den Tag ausgeliehen habe, um darin im Erdgeschoß Parfümproben zu verteilen. Aber, versichert er ihr, er werde es sogleich für sie herbeischaffen. Paula empfindet plötzlich panische Eifersucht. Sie will es haben. Sie weiß noch nicht einmal, was »es« ist, aber sie befürchtet, es nicht zu bekommen. Jimmy beruhigt sie. »Ich werde es ihr abjagen«, versichert er mit stählerner Ruhe, »selbst wenn sie es am Leibe trägt .«
Als Jimmy zurückkehrt, erwartet ihn Paula, entkleidet bis auf ihren Body aus schwarzer Spitze, Strumpfhose und Schuhe. »Ha, toll, ich habe es«, verkündet Jimmy stolz und seufzt dann, nach einem Blick auf sie. »Ich kann’s nicht glauben«, sagt er, ihren Body kritisch prüfend. »Sant’ Angelo ?« fragt er und berührt den Spitzeneinsatz an ihrer Hüfte. »Nee, Olga«, antwortet Paula. »Ach je«, stößt Jimmy trocken hervor. »Jetzt fängt sie an, mit Pennies zu knausern, kauft Olga-Unterwäsche !« Sie lachen beide. »Her damit«, sagt sie und greift nach dem Etwas aus Seidencharmeuse, das er in der Hand hält. »Nicht so schnell!« Jimmy zieht es ihr vor der Nase weg und ändert die Garderobenbeleuchtung. »Ich möchte Sie so sehen, wie Sie am Abend aussehen werden...«
Er schaltet eine spezielle Lampe ein, die das grelle Neonlicht dämpft und Paulas Haut pfirsichfarbener aussehen läßt. » Jetzt her damit«, sagt sie. »Kommen Sie schon, Jimmy, was ist es ?«
»Zum Sterben schön !« Jimmy hält ein hautenges, bodenlanges Kleid mit Spaghettiträgern vor sich hoch. »Sie tragen dazu«, verkündet Jimmy leise, verschwörerisch, »...nichts. Absolut nichts. Keine Perlen, keine Ohrringe, keinen BH, keine Strumpfhose. Nur Haut und Seide. Also. Ziehen Sie den Body aus. Ich möchte das Kleid mit nichts darunter sehen. Keinen Schmuck. Nicht einmal Ihre Uhr. Nicht einmal Ihren Ehering, hören Sie? Ich bin in fünf Minuten zurück. Und Paula, kämmen Sie Ihre Haare zurück. Streng, in einen Knoten .«
Paula tut wie geheißen. Streift alles ab. Die Ohrringe. Den Ehering. Auf ihrer Haut fühlt sich das Kleid an, als hätten Engel es gewebt, irgendein himmlischer Stoff, den sie nie zuvor am Leib hatte, eine satinartige Seide, weich fließend. Klopfenden Herzens schließt sie behutsam den seitlichen Reißverschluß. Sie kämmt ihr Haar zurück. Trägt schnell etwas Rouge und Lippenglanz auf, um Jimmy mit ihren frischen Farben zu beeindrucken. Sie betrachtet sich feierlich, ist zufrieden. Sie wartet.
Er macht einen tiefen Atemzug, als er sie erblickt. »So«, sagt er leise, ehrerbietig, »genauso
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